Eine Welt in Flammen, Krieg als Normalität, soziale Krisen und eine Gesellschaft im Umbruch: So, wie es ist, wird es nicht bleiben. Viele wissen das, alle spüren es. Wie leben wir? Wie organisieren wir die gesellschaftliche Produktion und Reproduktion? Und auf wessen Kosten? Die Klimakrise macht diese Fragen zu Fragen des Überlebens. Wir sind überzeugt: Die anstehenden gesellschaftlichen Veränderungen dürfen nicht oberflächlich, sondern müssen tiefgreifend und radikal sein. Ein revolutionärer Bruch mit dem Kapitalismus und allen damit verbundenen Macht- und Herrschaftsverhältnissen ist notwendig. Auch wenn „Sozialismus oder Barbarei“ eine Parole des 20. Jahrhunderts ist: Mit den planetaren Krisen der Gegenwart ist sie so dringlich wie nie.
Doch das Verlangen nach Revolution alleine reicht nicht. Für die radikalen Veränderungen, die wir uns vornehmen, benötigen wir konkrete strategische Zugänge. Diese werden wir auf den nächsten Seiten diskutieren. Sie umfassen die Orientierung auf den revolutionären Bruch, das Verhältnis von langfristiger Transformation und kurzfristigen Gelegenheiten sowie den Aufbau von Gegenmacht für ein linkes Hegemonieprojekt mit Vergesellschaftung als zentraler Achse.
Unser Ziel ist der revolutionäre Bruch mit dem Bestehenden. Unser Antrieb ist die alltägliche Wut über die herrschenden Verhältnisse und das Begehren nach einer Welt, in der alle Menschen nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen ein gutes Leben führen können. Ohne Abschaffung des kapitalistischen Privateigentums, ohne Aufhebung der Klassen und der Ausbeutung, ohne Überwindung der patriarchalen und rassistischen Unterdrückung und Gewalt wird es eine solche Welt nicht geben. Ohne Bruch mit dem Kapitalismus und seiner Profitlogik kann und wird es keine solidarischen Antworten auf die existenziellen Krisen und Bedrohungen des 21. Jahrhunderts geben – weder in Deutschland noch in Europa oder weltweit. Es braucht eine radikale Demokratisierung aller Lebensbereiche, um die systematische Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu stoppen.
Bislang wird die demokratische Verfügung über Umwelt, Produktion und Reproduktion durch das Privateigentum an den Produktionsmitteln blockiert. Eine radikale Demokratisierung muss also hier ansetzen – und sicherstellen, dass alle Bereiche der Gesellschaft erfasst werden und alle Menschen die gleichen Rechte erhalten, unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Herkunft.
Der Nationalstaat und seine Institutionen stehen dieser umfassenden Demokratisierung entgegen. In ihm verdichten sich Macht- und Kapitalinteressen, die auf Kosten des Globalen Südens durchgesetzt werden. Seine Grenzen dienen der Kontrolle und Abschottung – und sind daher immer blutig. Deshalb muss dieser Nationalstaat abgeschafft werden – ebenso wie die Europäische Union, die Kapitalinteressen bedient und die Festung Europa organisiert.
Wir begreifen Revolution als einen Prozess, in dem der bürgerliche Staat und seine Institutionen schrittweise überwunden werden. Dabei können parlamentarische Politik und Mehrheiten bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Ohne mit seinen Regeln zu brechen, lässt sich das politische System nicht grundlegend ändern. Alle entsprechenden Versuche sind gescheitert. Das zeigen Parteien wie DIE LINKE, Syriza oder Podemos. Auch wenn wir die Bedeutung von Parteien für ein linkes Hegemonieprojekt und als Anknüpfungspunkt für linke Politik im Alltag anerkennen und in konkreten Kämpfen und Kampagnen mit ihnen zusammenarbeiten: Unsere Aufgabe ist der langfristige Aufbau außerstaatlicher, gesellschaftlicher Gegenmacht in der Verbindung von revolutionärer Organisierung und sozialen Bewegungen.
Revolution meint nicht nur den Umsturz der wirtschaftlichen und politischen Ordnung, sondern auch tiefe Veränderungen in unserer Subjektivität und unseren alltäglichen Beziehungen. Heute scheinen neoliberale Vereinzelung und Abstumpfung gegenüber dem Leid in anderen Teilen der Welt allgegenwärtig. Es ist kaum vorstellbar, wie wir in einer befreiten Gesellschaft einander anders begegnen und unser Leben gestalten könnten. Umso dringlicher ist es, schon auf dem Weg dorthin unsere Beziehungsweisen und uns selbst zu verändern – damit aus Vereinzelung in vermeintlicher Souveränität eine kollektive Freiheit in solidarischer Abhängigkeit wird.
Der Weg dorthin erfordert Geduld, Fantasie, Kampfgeist, Kollektivität und den Willen zur revolutionären Veränderung. In der Geschichte der Linken gab und gibt es viele Niederlagen und Irrwege. Es gab Rückzug und Zynismus, Verrat und Konterrevolution, Militarisierung und brutale Gewalt – von der mörderischen Staatlichkeit des Stalinismus bis zur reformistischen Einhegung durch sozialdemokratische oder grüne Parteien. Dieser Geschichte des linken Scheiterns sind wir uns bewusst. Wir sind entschlossen, aus ihr zu lernen und es anders und besser zu machen.
Revolutionäre Prozesse lassen sich nicht am Reißbrett entwerfen. Genauso wenig aber fallen sie vom Himmel. Sie ergeben sich sowohl aus jahrzehntelanger, kontinuierlicher Arbeit für Veränderungen im Hier und Jetzt, als auch aus den spontanen Kämpfen sozialer Bewegungen und dem utopischen Begehren derer, die gegen das Bestehende rebellieren. In unserer Strategie beziehen wir uns deshalb auf beides: Auf die transformative Verschiebung von Kräfteverhältnissen ebenso wie auf das Handeln in der kurzfristigen Dynamik konkreter Gelegenheiten.
Gelegenheiten sind für uns Zeitfenster, in denen scheinbar stabile Prozesse sprunghaft verlaufen. Momente und Ereignisse, in denen es für einen kurzen Zeitraum politisch mehr zu gewinnen oder zu verlieren gibt als erwartet. Gelegenheiten lassen sich nicht erzwingen. Aber in unserem Zeitalter der Krisen nimmt die Instabilität zu, weshalb solche politischen Gelegenheiten häufiger auftreten. Die letzten Jahre zeigen, dass mutige Interventionen weniger Aktivist*innen einen echten Unterschied machen können. So war es beispielsweise bei den bundesweiten Protesten gegen die Wahl von Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten im Jahr 2020. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass wir zuletzt vor allem dann in der Lage waren, spontan zu handeln, wenn es um Abwehrkämpfe ging. Wir konnten schlimmeres verhindern, aber selten Momente nutzen, um die gesellschaftliche Linke nach vorne zu bringen.
Umso wichtiger ist es, besser als bisher vorbereitet zu sein und zu wissen, wie sich Gelegenheiten nutzen lassen. Wichtige Voraussetzungen hierfür sind die genaue Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen, ein gutes Gespür für gesellschaftliche Situationen und Stimmungen, enge Kontakte zu anderen (Bewegungs-)Akteur*innen und betroffenen Gruppen sowie die Fähigkeit zur koordinierten und entschlossenen Intervention. Um Erfahrungswissen weitergeben zu können, ist ein generationenübergreifendes Organisierungsprojekt wichtig.
Die Herausforderung revolutionärer Politik besteht darin, solche Gelegenheiten mit längerfristigen Transformationsstrategien zu kombinieren. Letztere erzielen reale Erfolge, stellen die Umsetzbarkeit linker Ideen unter Beweis und schaffen gesellschaftliche Verankerung. Sie ermöglichen das Erlernen emanzipatorischer Beziehungsweisen und weisen ganz konkret über die gegenwärtige Traurigkeit des Kapitalismus hinaus. Ein produktives Zusammenspiel von Gelegenheiten und kontinuierlicher Arbeit ermöglicht kleine Brüche.
Kleine Brüche sind zentrale Zwischenziele unserer Politik. Damit meinen wir Veränderungen, die unseren Handlungsspielraum und unsere gesellschaftliche Gegenmacht systematisch aufbauen und erweitern:
Erst durch die Verbindung dieser Dimensionen wird aus einem politischen Sieg ein kleiner Bruch. Er reizt die bestehenden Spielregeln aus oder bricht diese und macht das Unvorstellbare vorstellbar, ohne aber schon die Verhältnisse völlig auf den Kopf zu stellen. Somit ist nicht jede Reform, die wir gegen den Staat durchsetzen, ein kleiner Bruch. Aber kleine Brüche sind die Grundlage eines erfolgreichen revolutionären Prozesses. Die Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteignen ist ein Beispiel für eine Politik, die in die Richtung eines kleinen Bruchs weist: Der Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne machte Enteignung und Vergesellschaftung im Bereich Wohnen als reale Option greifbar; seine Umsetzung würde massive Verbesserungen für die Mieter*innen bedeuten und hat in Form des Mietendeckels zumindest kurzfristig materielle Zugeständnisse erzwungen. Deutsche Wohnen und Co. enteignen ist aber nicht nur eine politische Kampagne, sondern basiert auf der jahrelangen Organisierung von Mieter*innen und stadtpolitisch Aktiven in dauerhaften und handlungsfähigen Strukturen.
Besonders komplex und folgenreich ist das Verhältnis von Gelegenheit und Transformation in Momenten des Aufstands. Aufstände sind für uns eine besondere Form der Gelegenheit. Oft markieren sie den Unterschied zwischen gestern und morgen. Sie entfalten eine starke symbolische und motivierende Kraft und können Machtverhältnisse ins Wanken bringen. Zugleich sind sie beständig von der Gefahr repressiver Gewalt und der Logik militärischer Eskalation bedroht. Gerade deshalb sind organisierte Kerne und gesellschaftliche Verankerung wichtig, um über die Dynamik der Situation hinaus ein emanzipatorisches Projekt zu verfolgen.
Einen tatsächlich revolutionären Charakter entfalten solche Aufstände dort, wo sie die Grenzen einer rein sozialen oder politischen Auseinandersetzung überschreiten und alle gesellschaftlichen Bereiche erfassen. In solchen Situationen werden Mittel der Unterbrechung wie Blockaden, Sabotage und der gesellschaftliche Streik besonders wichtig. In einem Aufstand können zudem zuvor aufgebaute Selbstverwaltungsstrukturen über sich selbst hinauswachsen und den Weg der Veränderung weisen. Aufstände ohne eine solche materielle und strukturelle Grundlage bleiben Strohfeuer. Eine revolutionäre Umwälzung ist ein Massenprojekt, das eine überwältigende Mehrheit gegen die Minderheit der Herrschenden erkämpft.
Vor diesem Hintergrund zielen wir auf Momente, in denen die Macht auf der Straße liegt. Auch wenn es herausfordernd ist: Es gilt, Chancen zu erkennen und das zu tun, was unmöglich erscheint – weil Gelegenheiten sonst vorbeiziehen oder reaktionäre Kräfte Geschichte schreiben. Hierfür braucht es eine rebellische Haltung und die Bereitschaft, auch subjektiv den Bruch mit dem Bestehenden zu wagen. Gleichzeitig ist es gefährlich, sich zu sehr in der Hoffnung auf den Moment zu verlieren und Gelegenheiten zu sehen, wo keine sind. Eine solche Herangehensweise nutzt sich ab und führt zu Resignation. Gerade in Zeiten dynamischer Krisen wird es in den kommenden Jahren für uns als Subjekte und als Organisation darauf ankommen, beides zu können: Offen zu sein für die Dynamik der Situation und zugleich mit Beharrlichkeit eine langfristige Transformation zu verfolgen.
Ein Grund für die aktuelle Krise der gesellschaftlichen Linken ist das Fehlen von Gegenmacht. Unter Gegenmacht verstehen wir, Entscheidungen und Politiken der Herrschenden unterbrechen, aber auch eigene Lösungen durchzusetzen zu können. Hierfür braucht es das Zusammenspiel linker Kräfte. Die Vielstimmigkeit der Bewegungen und Organisationen ist für uns nicht ein Problem, das durch die Führung einer Organisation behoben werden muss. Wir setzen darauf, linke Bewegungen in ihrer Gesamtheit zu stärken, zu verbinden und Vertrauen untereinander zu schaffen. Als organisierte radikale Linke ist es unsere Aufgabe, die Erfahrungen der Bewegungen zu verstetigen und diese auf ein neues Niveau zu heben. Das unterscheidet uns von individualistisch-moralischen Ansätzen innerhalb der Linken. Diese erschöpfen sich in Anleitungen zur persönlichen Verhaltensänderung, entwickeln aber keine Vorstellungen davon, wie die Gewaltverhältnisse kollektiv überwunden werden können.
Gesellschaftliche Gegenmacht entsteht in Kämpfen. Diese Kämpfe entwickeln eine besondere Stärke, wenn Menschen nicht nur über gemeinsame Überzeugungen, sondern auch über gemeinsame materielle Interessen zusammenkommen: Bei Streiks am Arbeitsplatz, in Auseinandersetzungen um Grundbedürfnisse wie Wohnen, Gesundheit, Pflege und Energie oder im Kampf gegen Diskriminierung, für Selbstbestimmung und rechtliche Gleichstellung. In diesen Kämpfen um soziale Gleichheit und Freiheit entsteht die Überzeugung, etwas an den eigenen Lebensumständen ändern zu können. Solche Kämpfe ermöglichen es uns, breite Teile der Bevölkerung anzusprechen und nach Mehrheiten für radikale Politik zu suchen.
Aber: Die radikale Linke ist in den kapitalistischen Zentren strukturell in einer Minderheitenposition. Das betrifft das Verhältnis zum Globalen Süden, aber auch zu vielen Interessen der Mehrheitsgesellschaft hier. Beides verschärft sich aktuell, weil das kapitalistische Fortschrittsversprechen mit der Klimakrise an seine Grenzen stößt. Die materiellen Voraussetzungen für globale Gerechtigkeit schwinden. Die Sehnsucht nach Sicherheit, Autoritarismus und Abschottung wächst und wird durch rechte Erzählungen angetrieben – auf Kosten von Menschen im Globalen Süden, aber auch von Migrant*innen und FLINTA* hier. Anders als eine grüne Modernisierung oder das reaktionäre Projekt versprechen wir niemandem, dass der materielle Wohlstand endlos weiterwachsen kann und die eigene Lebensweise unverändert bleiben wird. Wer dies tut, täuscht sich und andere – und stellt sich, bewusst oder unbewusst, auf die falsche Seite der Barrikade. Darüber müssen wir mit der Mehrheitsgesellschaft in den Konflikt treten, wenn wir ernsthaft für globale Klimagerechtigkeit und gegen den entstehenden Festungskapitalismus kämpfen wollen.
Wir sind dennoch überzeugt, dass die Verhältnisse hier nicht ohne Bruchstellen sind. Deshalb ziehen wir uns auch in Anbetracht dieser Minderheitenposition nicht auf eine vermeintlich radikale Position der reinen Kritik zurück. Denn die Bruchstellen lassen sich durch eine radikale, aber vermittelbare Politik vertiefen. Klimakrise, Pandemie und Krieg: Auch der Globale Norden ist keine Insel der Stabilität mehr, wo das Leben der meisten Menschen ungestört und unberührt weitergehen könnte. Auch hier gibt es Widersprüche in der herrschenden Produktions- und Lebensweise. Auch hier stellt sich die Frage, wer die Kosten für die Krisen zahlt. Wir leben inmitten einer planetaren Krise. Unter diesen Bedingungen ist eine Revolution die einzige Möglichkeit, ein gutes Leben für alle zu gewährleisten. Statt in moralischer Anklage zu verharren, geht es also darum, selbstbewusst und radikal zu intervenieren – und nach Allianzen zu suchen mit den Betroffenen und denjenigen, die an Menschlichkeit und Solidarität festhalten.
Dabei bestimmen wir die Wahl der Mittel immer wieder neu. Bei der Vergesellschaftung von sozialer Infrastruktur wie etwa Wohnraum deckt sich unser Ziel mit den Interessen der großen Mehrheit. Aber auch dort kann, je nach Situation, eine militante Zuspitzung notwendig sein. Andersherum kann selbst aus einer Position der Minderheit ein breit vermittelbares politisches Projekt sinnvoll sein. Die Seebrücke, die sich insbesondere gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung im Mittelmeer richtete, war vielleicht nie ein mehrheitsfähiges Projekt. Aber sie bot vielen Menschen einen Anknüpfungspunkt für konkrete Solidarität. Eine Orientierung auf Vermittelbarkeit und die Kämpfe der Vielen bedeutet in diesem Sinne auch keine Absage an Militanz. Black Lives Matter hat es eindrucksvoll gezeigt: Auch Menschen, die nicht direkt unter Polizeigewalt leiden, können Verständnis haben, wenn eine Polizeiwache brennt. Je besser es uns gelingt, neue Verbindungen zu schaffen, ausgeschlossene Stimmen hörbar zu machen und in konkreten Kämpfen ansprechbar und erlebbar zu sein, desto freier sind wir in der Wahl unserer Mittel.
Das bedingungslose Eintreten für globale Gerechtigkeit und die radikale Demokratisierung der Gesellschaft stehen also oft in einem realen Widerspruch. Ein transformatives Projekt kann helfen, diesem Widerspruch zu begegnen: Eine gemeinsame Vision verbindet Kämpfe und Akteur*innen zu einem gesellschaftlichen Block. So ein Projekt ist auch ein Gradmesser: Wer wird in das Ringen für Veränderung einbezogen und mitgedacht? Welche Utopien bilden sich heraus? Auch hier sehen wir unsere Aufgabe darin, die Interessen von Minderheiten und Unterdrückten kompromisslos zu vertreten, ohne die Bestrebungen eines mehrheitsfähigen Projekts aufzugeben.
Ein transformatives linkes Hegemonieprojekt ist aktuell kaum erkennbar. Trotzdem ergeben sich aus Kämpfen für die Vergesellschaftung von Wohnraum und anderer sozialer Infrastruktur die Umrisse eines solchen Projekts. Vergesellschaftung als Richtungsforderung und Strategie ist für die Bildung eines linken Hegemonieprojekts zentral. Sie kann aus der Ohnmacht der Linken herausführen. Denn Vergesellschaftung zeigt die Möglichkeit einer solidarischen Zukunft auch unter den Bedingungen der globalen Krisen. Das unterscheidet ein linkes Hegemonieprojekt vom „grünen“ Kapitalismus und dem Projekt der Rechten. Diese haben Antworten auf die Krisen nur um den Preis von immer stärkerer Abschottung, Militarisierung und Unterdrückung.
Vergesellschaftung meint die umfassende Demokratisierung von Produktion und Reproduktion, indem sie aus der Kontrolle von Staat und Kapital befreit werden. Vergesellschaftung zielt dabei auf drei Ebenen:
Verstaatlichung ist dabei nicht automatisch ein Fortschritt. Erfahrungen mit Staatsbetrieben zeigen, dass sie oft unter denselben Bedingungen operieren wie privates Kapital. Vergesellschaftung ist deshalb eine wichtige Richtungsforderung, weil wir damit Gemeineigentum an die Stelle des Dualismus von Staat oder Markt setzen können. Wenn Beschäftigte, Nutzer*innen und Mieter*innen sich demokratisch selbst verwalten und globale und gesamtgesellschaftliche Interessen berücksichtigen, verwirklicht sich das revolutionäre Potenzial von Vergesellschaftung.
Derzeit verhindert der Kapitalismus demokratische Entscheidungen über klimaschädliche Produktion, erzwingt ständiges Wirtschaftswachstum, Emissionen und Ressourcenverbrauch. Eine vergesellschaftete, klimagerechte Wirtschaft richtet sich nach den tatsächlichen Bedarfen und Bedürfnissen der Menschen, nicht nach Wachstums- und Profitzwängen. Gleichzeitig muss sie mit planetaren Grenzen und einer global gerechten Verteilung von Ressourcen vereinbar sein.
Die Vergesellschaftung der sozialen Reproduktion ist ein wichtiger Bestandteil einer feministischen und solidarischen Wirtschaft, in der Sorgearbeit stark aufgewertet und gerecht aufgeteilt ist. Vergesellschaftete, demokratische Verwaltung schafft auch die Möglichkeit, antirassistische Prinzipien durchzusetzen. Strukturell rassistische Funktionsweisen werden verändert und der explizite Rassismus bekämpft. Das bedeutet nicht, dass die Strategie der Vergesellschaftung alle gesellschaftlichen Probleme und Herrschaftsverhältnisse wie Patriarchat und Rassismus einfach auflöst. Ebenso wenig wird globale Ungleichheit automatisch behoben. Vergesellschaftung ist ein Auftakt, um überhaupt anders leben, wirtschaften und sich begegnen zu können. Alle mit ihr erkämpften Verbesserungen müssen immer wieder verteidigt werden.
Vergesellschaftung ist aus unserer Sicht geeignet als zentrale Achse eines linken Hegemonieprojekts, da sie als Strategie Lebensumstände verbessert und in den vergesellschafteten Bereichen Staat und Kapital zugunsten demokratischer Selbstverwaltung zurückdrängt. Als Richtungsforderung hat Vergesellschaftung einen utopischen Überschuss. Sie zeigt, wie wir uns die Gesellschaft nach der Revolution vorstellen. Umso stärker ist der Widerstand, den Staat und Kapital konkreten Vergesellschaftungsprojekten wie Deutsche Wohnen und Co. enteignen entgegenbringen. Dies bestärkt uns darin, dass es nicht reicht, nur über Vergesellschaftung zu sprechen. Wir müssen sie in der Praxis umsetzen und erkämpfen – gemeinsam, ungehorsam und solidarisch.