Zum Sozialforum Deutschland in Erfurt rief die Interventionistische Linke dazu auf, in die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 einzusteigen. Dieser "Erfurter Appell" markiert den Beginn der Aktivität verschiedener Gruppen als iL innerhalb des Anti-G8-Spektrums...
In diesem Jahr war es ein mondänes Schloss im schottischen Gleneagles, 2006 wird es die ehemalige russische Zarenresidenz St. Petersburg sein und im Frühsommer 2007 treffen sich die "Führer der Welt" im Kempinski-Grandhotel in Heiligendamm an der mecklenburgischen Ostseeküste. Im Bild der Regierungschefs der acht stärksten Wirtschaftsnationen symbolisiert sich wie kaum sonst die Macht des globalisierten Kapitalismus und seine politische und militärische Gewalt. Nur diese Machtfülle legitimiert den G-8.
Die G-8-Gipfel sind daher immer wieder zu Kristallisationspunkten für Protest und Widerstand geworden. Und sie sind Anlass für grundlegende Fragen: Wie sieht die Welt aus, die der globalisierte Kapitalismus und seine Gallionsfiguren geschaffen haben? Sind nicht Kriege, Armut und Umweltzerstörung die Folge der Herrschaft der wirtschaftlich Mächtigen über die Vielzahl der Ohnmächtigen? Sind nicht eine andere Welt und eine andere Globalisierung möglich und längst überfällig, die aufbauen auf Solidarität, sozialer Gerechtigkeit und Emanzipation?
Hunderttausende AktivistInnen haben auf Demonstrationen, in Diskussionen in den Camps und auf den zahlreichen Gegengipfel-Veranstaltungen immer wieder versucht Antworten auf diese Fragen zu formulieren. Und in der Menge, Vielfalt, Internationalität und Radikalität der TeilnehmerInnen drückte sich dabei immer wieder auch der Ansatz einer solidarischen Globalisierung von unten aus. Durch Straßenproteste, Blockaden oder direkten Aktionen wurden in der Vergangenheit die "Roten Zonen" der Macht attackiert und die G-8-Treffen wurden aus den Großstädten an die Peripherie gedrängt. Die Bilder wandelten sich: Schon längst huldigt keine dankbare Bevölkerung mehr den Mächtigen und das populistische Bad in der Menge gehört dem letzten Jahrtausend an. Seit den Ereignissen von Genua treffen sich die G-8 in nichtöffentlichen Luxusdomizilen fernab der Zentren, hinter Stacheldraht, geschützt durch Flugabwehrraketen und massive Polizeitruppen.Dieses Szenario erwartet uns im Sommer 2007 in Heiligendamm. Es geht daher darum schon jetzt die Vorraussetzungen zu schaffen, dass in zwei Jahren gemeinsam kraftvolle Tage des Widerstands organisiert werden. Demonstrationen, Veranstaltungen, Blockaden, Aktionen, Diskussionen, Kultur- und Musikfestivals sollen deutlich machen, dass wir uns mit den globalen und lokalen Auswirkungen des kapitalistischen Weltsystems nicht abfinden werden. Dabei lehnen wir jede Form von chauvinistischer Standortlogik ab und sollten als soziale Bewegung die expansive deutsch-europäische-Militärpolitik und das neoliberale Kontrollregime im Innern zurückweisen.
Niemand von uns geht davon aus, dass wir im Frühsommer 2007 an der mecklenburgischen Ostseeküste die Welt entscheidend verändern werden, aber wir wissen, was Tage der Bewegung leisten können. Nicht wenige von uns waren in der Vergangenheit TeilnehmerInnen oder MitinitiatorInnen von Großmobilisierungen; ob zum damaligen G-7 in Bonn 1985, dem IWF-Treffen in Westberlin 1988, oder gegen die Gipfeltreffen von München 1992, Köln 1999, Genua 2001, Evian 2003 oder dieses Jahr in Gleneagles. Die kommenden zwei Jahre sind für die inhaltliche wie organisatorische Vorbereitung entscheidend. Auf dem Weg nach Heiligendamm 2007 besteht für unsere Bewegung die Möglichkeit der Politisierung und Ermutigung zum Widerstand für viele. Die Vernetzung der Organisationen, Gruppen und Strömungen, die an der Mobilisierung teilnehmen, können über die Tage in Heiligendamm hinausweisen.Die G-8-Mobilisierung ist offen für vielfältige Debatten und Bewegungen. Dieses Potenzial kann dann freigesetzt werden, wenn die Kampagne nicht getrennt von den sozialen Kämpfen und Widerstandspraxen geführt, sondern als gemeinsame Handlungschance in die bestehenden Felder der Auseinandersetzung hineingetragen wird: in die Studierendenproteste, in die Hartz IV/Erwerbslosen-Initiativen, in die Umweltbewegung, in die Antikriegsbewegung, in antipatriarchale und feministische Gruppen Gruppen, in die antifaschistische Bewegung, in die migrantische Selbstorganisierung und die No-Border-Netzwerke usw. Im Zusammenwirken Aller liegt allein die Möglichkeit, dass mehr als ein einmaliges Ereignis entsteht, nämlich ein Aufbruchssignal für eine sich neu formierende Bewegung, die wieder Kraft und Selbstvertrauen besitzt.
Das Gesamtprojekt G-8-Mobilisierung 2007 ist so groß und ambitioniert, dass eine Strömung oder Organisation damit überfordert wäre. Jeder Versuch eines Alleingangs oder die Dominanz einer Richtung würde die Handlungsmöglichkeiten und die politische Ausstrahlungskraft der Aktionen insgesamt merklich einschränken. Im Interesse der Gesamt-Bewegung wollen wir das Prinzip der Einheit in der Vielfalt tatsächlich zur Geltung bringen.Wir rufen daher zur Bildung eines breit angelegten Gesamtbündnisses auf, das die Organisation und Koordination der gemeinsamen Aufgaben übernimmt, die nicht von einzelnen Strömungen allein geleistet werden können. Hier sollten Initiativen aus allen Spektren der Linken zusammen kommen: Die lokalen Sozialforen, Erwerbslosen- und Sozialinitiativen, Antifagruppen, Flüchtlings-Initiativen, Autonome Gruppen und andere bewegungsorientierte Linksradikale, 3.Welt- und Kirchengruppen, attac und die no-global-Netzwerke, traditionskommunistische und trotzkistische Organisationen, Gewerkschaftsgliederungen und -jugendverbände, Linkspartei/PDS usw.
Damit alle relevanten Gruppierungen an den Vorbereitungen gleichberechtigt teilnehmen können, brauchen wir einen Grundkonsens, der um die Unterschiede wissend ein offenes Miteinander ermöglicht und nicht zu eng gefasst ist.
Als gemeinsame Grundlagen schlagen wir vor:
- Die eindeutige Delegitimierung der G-8;
- Die gegenseitige Anerkennung unterschiedlicher Aktions- und Widerstandsformen;
- Ein solidarischer, verlässlicher Umgang miteinander, der verbindliche Absprachen erlaubt;
- Eine klare und offensive Abgrenzung gegenüber rechtspopulistischen und rechten Kräften.
Dieser Vorschlag eines großen Bündnisses schließt andere bereits bestehende Initiativen zur Gegenmobilisierung ein. Jeder Mobilisierungsansatz ist zu begrüßen. Wir denken aber, dass es zusätzlich notwendig und sinnvoll ist, tatsächlich alle Gruppen, Organisationen und Strömungen zusammenzubringen und das Experiment einer offenen und konstruktiven Zusammenarbeit zu wagen. Denn die bevorstehenden Aufgaben wie z.B. gemeinsamer Camp-Koordination, verlässliche Praxisabsprachen, öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen, internationaler Mobilisierung, Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierung werden nur gemeinsam lösbar sein.
Die vor uns liegenden zwei Jahre bis zum Gipfel werden wir für die Vorbereitung und Mobilisierung dringend brauchen. Es ist jetzt an der Zeit damit anzufangen.
Für eine interventionistische Linke:
Juni 2005
Antifaschistische Linke Berlin (ALB); AVANTI - Projekt undogmatische Linke; Redaktionen analyse + kritik/fantômas; Dr. Sabah Alnasseri (Universität Frankfurt und Kassel); Erika Feyerabend; fortsetzung folgt! (München); Bundesweite Kampagne Libertad!; Dagmar Paternoga, Bonn; Radikale Linke Köln; radikale linke (rl) Nürnberg - Projekt für revolutionäre Organisierung; Michael Ramminger (ITP, Münster); Werner Rätz (Informationsstelle Lateinamerika, attac-D Ko-Kreis); Thomas Seibert (attac-Rat); Redaktion der Zeitung So oder So; Pedram Shahyar (attac Ko-Kreis); rosa antifa wien; Stiftung Unruhe Köln; Katja Strobel (Institut für Theologie und Politik, Münster); Georg Wißmeier, Hamburg
Infos: www.g8-2007.de
Kontakt: info (att) g8-2007.de