Im kommenden Semester laden wir euch zu unserer neuen Vortragsreihe „Irrwege der Kapitalismuskritik“ ein. Wir freuen uns auf rege Beteiligung und besonders, wenn ihr uns helft, die Reihe bekannt zu machen.
Die Frage, in welcher Welt wir leben wollen, schien Anfang der 1990er obsolet geworden. Francis Fukuyama rief das „Ende der Geschichte“ aus – der liberale Kapitalismus sei alternativlos geworden. Selbst die Gegenseite erwiderte mangels eigener Alternative nur zaghaft: „Eine andere Welt ist möglich“. Seit der Weltwirtschaftskrise ist alles anders. „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“, erklärten 2011 selbst Charles Moore und Frank Schirrmacher.
Die neoklassische Theorie der traditionellen Volkswirtschaftslehre kann die Krise nicht erklären, hilflos ignoriert sie diese in den Lehrbüchern. Auf der anderen Seite rufen die Anhänger*innen des Keynesianismus nach dem Eingreifen des starken Staates. Die deutsche Bundesregierung wiederum boxt eine Austeritätspolitik in Europa durch – das große Sparen. Doch nicht alle sind betroffen vom Rückgang der Löhne, Massenarbeitslosigkeit, dem Zusammenbrechen der öffentlichen Versorgung, Armut und Hunger. Gerade in der Krise kommt es selbst in reichen Industrienationen zur Zuspitzung sozialer Ungleichheit, die kaum jemand mehr verteidigen möchte. Kapitalismuskritik ist plötzlich en vogue. Allzu häufig richtet sich diese gegen jene, die die Krise verursacht haben sollen. Doch bei einer wütenden Kapitalismuskritik des Bauches wollen wir es nicht belassen.
Dass Kapitalismuskritik nicht per se etwas Gutes ist, wird spätestens deutlich, wenn Nazis gegen den Kapitalismus als den „Feind der Völker“ agitieren; „Global dient dem Kapital. Sozial geht nur national“.
Kritik verstehen wir als Analyse und Beurteilung eines Gegenstandes. Wir wollen die strukturellen Ursachen gesellschaftlich beobachtbarer Phänomene offenlegen, um uns nicht in den Irrwegen der Kritik zu verlieren, die sich über bloße Symptome beklagen. Zugleich möchten wir uns mit den dahinterstehenden Ideologien befassen.
Dazu gehören unter anderem folgende Fragen: Sind die Erfolglosen einfach zu faul? Wurde die Krise von den Gierigen im Casinokapitalismus herbeigezockt? Sind wir die ehrlichen Betrogenen 99%? Und was soll das mit Antisemitismus zu tun haben? Gibt es einen Kapitalismus mit gutem Geld und ohne Zinsen? Können wir den Kapitalismus berichtigen, indem wir weniger Dinge kaufen, die wir nicht brauchen?
Mit der Vortragsreihe möchten wir einen Überblick über das Labyrinth der Kapitalismuskritik gewinnen und eigene Bilder und Vorstellungen reflektieren. Was lässt sich aus den bisherigen Versuchen der Kapitalismuskritik lernen? Wir wollen herausfinden, wie sich progressive und regressive Kapitalismuskritik unterscheiden lassen und welche Bedingungen progressive Kapitalismuskritik erfüllen muss. Diese wollen wir nicht dogmatisch setzen, sondern erkenntnisorientiert zur Disposition stellen. Deswegen laden wir euch im Anschluss eines jeden Vortrags zur gemeinsamen Diskussion ein.