Tagesschau vom 6.6.2007, 20 Uhr: Ein breites Spektrum aus sozialen Bewegungen, Nichtregierungsorganisationen und linken AktivistInnen hat am heutigen Mittwoch die Landebahn des Flughafens Rostock-Laage und die Zufahrtsstraßen zum G8-Gipfel blockiert, so dass kein Durchkommen mehr war. Nicht nur in Rostock und Heiligendamm, sondern an vielen Orten der Bundesrepublik haben Menschen heute ihre Ablehnung des G8 Gipfels zum Ausdruck gebracht. Schon am Wochenende hatten Zehntausende auf der internationalen Auftaktdemonstration gegen den G8-Gipfel demonstriert. Die meisten blieben vor Ort.
So oder so ähnlich könnte es am Mittwoch Abend in den Nachrichten zu hören sein.
Wie ihr euch sicherlich schon gedacht habt, würden wir von der Interventionistischen Linken uns diese Art von Meldungen wünschen. Und viel spricht dafür, dass es so auch kommen kann: Dass diese Demo nicht für sich steht, sondern Auftakt einer vielfältigen und lauten Aktionswoche wird. Damit von Rostock ein Signal ausgeht: Ein lautes Ya Basta – Es reicht!. Ein lautes NEIN, das Ausgangspunkt für die Bewegung der Bewegungen auch hier bei uns wird, in der sich unterschiedliche Spektren und vielfältige soziale Bewegungen zusammenfinden. Eine Bewegung, die die „Unentgeltlichkeit des Lebens“ gegen die erbarmungslose Verwertungslogik des Kapitals stellt, deren Forderungen keine Grenzen kennen – eine globale Bewegung.
Vor uns liegt eine vielfältige Protestwoche: Wir sind gekommen um zu bleiben!
Weil wir der Meinung sind, dass Schluss sein muss mit den Kriegen wie im Irak, wo die G8-Staaten unter dem Deckmantel der Demokratisierung nur eigene Macht- und Rohstoffinteressen verfolgen. Es muss Schluss sein, mit der Unterstützung von Kriegsökonomien und Diktaturen, mit der zunehmenden Plausibilität von Folter. Deshalb gibt es am Dienstag den Aktionstag gegen Militarisierung und Krieg.
Wir sind gekommen, um zu bleiben, weil Schluss sein muss mit der Abschottung gegen den Rest der Welt und mit dem Tod von Tausenden beim Versuch Grenzen zu überqueren: Daher am Montag der Aktionstag zu Migration. Dabei wird die Ausländerbehörde belagert und die unerträgliche Lebenssituation von Flüchtlingen in der BRD thematisiert. Demonstriert wird gegen die faktische Abschaffung des Asylrechts und die Brutalität des internationalen Grenzregimes. Wir treten ein für globale Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte.
Wir sind gekommen, um zu bleiben, weil Schluss sein muss mit einer globalen Agrarpolitik, durch die viele Menschen insbesondere in Ländern des globalen Südens ihre Lebensgrundlage verlieren. Morgen auf dem Aktionstag globale Landwirtschaft wird für eine gerechtere Politik gestritten.
Wir sind gekommen, um zu bleiben, um uns mit den Vielen hier aus allen Ländern der Welt morgen über eine Welt „Beyond Europe“, eine Welt ohne Grenzen, ohne Kriege und ohne Prekarisierung zu verständigen. Und über eine Linke, die aus dem gemeinsamen Handeln und der Zusammenarbeit eine neue, radikale Opposition schaffen will, wie die Interventionistische Linke.
Wir sind gekommen, um zu bleiben. Am Mittwoch werden Blockaden in Rostock Laage und an vielen Orten bei Heiligendamm stattfinden. Als Aktionen zivilen Ungehorsams werden wir uns in den Weg stellen, um nicht nur symbolisch sondern real die Zufahrten zum Tagungsort zu blockieren. Block G8 lebt vom Mitmachen. Viele Initiativen und Gruppen rufen zu den Blockaden von Block G8 auf, die nur eine unter mehreren Blockadeformen sind. Es kommt darauf an, dass viele sich durchringen und verschiedenste Gruppen gemeinsam blockieren. Am Mittwoch geht es los.
Donnerstag ist ein Sternmarsch in Richtung Heiligendamm geplant. Wir sind gekommen, um zu bleiben.
Die G8 sind am Ende. Das ist nicht nur unser Erfolg, aber auch ein Erfolg der linken GlobalisierungsgegnerInnen und KritikerInnen. Es ist ein Erfolg der Bewegung von Genua, Évian, Gleneagles oder Seattle.
Sie sind am Ende, werden sich vermutlich bald neue Orte und neue Clubs suchen.
Aber wir fangen jetzt erst an. Denn die G8 stehen nicht einfach für Globalisierung, schon gar nicht nur für eine marode neoliberale Politik, hinter die es ein Zurück zu einem vermeintlich goldenen kapitalistischen Zeitalter gäbe. Die G8 haben keine Antworten auf unsere Fragen. Und wie immer sie heißen, wie auch immer sie sich nennen, sie werden keine Antwort darauf haben, wie eine Welt aussehen könnte, wie wir sie wollen:
Eine Welt ohne Grenzen, eine Welt ohne Kriege, eine Welt ohne Sexismus, eine Welt ohne Ausbeutung.
Wir wissen, dass sind große Worte, viele halten sie für unrealistisch – für uns ist es die einzig realistische Einstellung zur Welt. Ja, wir benutzen diese Worte: Kapitalismus, Ausbeutung und Zukunft. Worte, die uns zurückführen zu einem Datum, dass wir für wichtig halten:
Den 2. Juni 1967, heute genau vor vierzig Jahren: Er steht nicht nur für die Ermordung Benno Ohnesorgs, die vielen deutlich machte, wie weit sie uns in unseren demokratischen Rechten zu gehen erlauben: bis heute. Wir erinnern an Carlo Guliani, der vor sechs Jahren in Genua von den Carabinieri erschossen wurde. Und an Christian Klar und die anderen, für die diese Gesellschaft nur Rache hat. Ihre Freilassung wäre an der Zeit. Das Datum steht aber auch für den Beginn eines Aufbruchs. Ein Aufbruch der Utopie, der Fantasie und der Unbedingtheit, der es um das „Ganze“ geht. Das wollen sie uns verbieten, mit ihren Normierungen, ihren Grenzen der Demokratie und ihren Zäunen. Wenn es nötig wird, auch mit Repression, wie wir gesehen haben.
Genau deshalb sagen wir auch Nein zu den G8.
Die G8 sind am Ende. Wir fangen erst an. Das, was in den Vorbereitungen zu diesen Protesten an Gespräch, an Auseinandersetzung und gemeinsamer Aktion geplant und bereits durchgeführt wurde, ist erst der Anfang. Machen wir den Beginn einer neuen Bewegung daraus, einer Bewegung, die sich nicht damit zufrieden geben wird, dass die in Heiligendamm versammelten Staatschefs und Sherpas überflüssig geworden sind, sondern die viel mehr will: Eine Welt, in der patriarchale Verhältnisse überwunden sind, und in der Unterdrückung nicht mehr existiert. Eine Welt, in der die Menschen frei von den Zwängen dieses globalen Kapitalismus ihr Leben selber bestimmen können.
Der globale Kapitalismus zwingt einen erheblichen Teil der Menschheit, in Slums zu leben, zu völlig inakzeptablen Bedingungen zu arbeiten und sich zu verkaufen. Er bedeutet für die meisten Menschen Prekarisierung, Lebensunsicherheit, Armut und Arbeitslosigkeit. All dies nimmt auch hier bei uns ständig zu, da immer mehr Konkurrenz und Wettbewerb lebenswichtige Dinge und öffentliche Güter immer teurer macht – statt sie kostenlos allen zur Verfügung zu stellen.
Diese Weltordnung sorgt dafür, dass Millionen von Menschen ihre lebensnotwendigen Medikamente nicht bezahlen können. Sie führt dazu, dass jede Sekunde ein Mensch an Unterernährung stirbt, während die globale Nahrungsmittelproduktion die Menschheit 2,5 mal ernähren könnte und alle gut leben könnten.
Make capitalism history.
Darum sind wir hier: nicht einfach, um die G8 zu stoppen, sondern um darin etwas Neues zu suchen und in Gang zu setzen: Hier in Heiligendamm und überall dort, wo wir leben. Die nächsten Tage sind der Anfang. Und denen, die über Patentrechte, über Investitionsfreiheit und Rohstoffzugänge nachgrübeln, sagen wir: Ihr werdet mit uns rechnen müssen. Egal, wieviel Zäune ihr baut, wie groß ihr die Abstände zwischen uns und Euch macht, wo auch immer ihr Euch trefft: Wir sind schon da!