Wer Krieg führt, wer ganze Gesellschaften militarisieren und kriegstüchtig machen will, der braucht Disziplin. Das bedeutet die Retraditionalisierung von Geschlechterrollen und die Verfestigung geschlechtlicher Binärität: Frauen* sollen Mütter, Versorgerin und sozialer Kitt der Gesellschaft sein, während Männer* für die Verteidigung nationaler Interessen von oben herhalten müssen. Hohe Militärausgaben bedeuten sinkende Sozialausgaben und prekäre Arbeitsverhältnisse, sprich mehr unbezahlte Arbeit durch weibliche Arbeitskraft.
Wer Disziplin will, der braucht die patriarchale Kontrolle, um die feministischen Kämpfe und das Aufbegehren in den Griff zu bekommen. Häusliche Gewalt und Feminizide sind Teil sozialer Realitäten der Disziplinierung. All jene, die durch das binäre Raster sexistischer Arbeitsteilung fallen, sich entziehen oder widersetzen, sind queerfeindlicher Gewalt oder Repressionen ausgesetzt.
Die Logik des Krieges ist aber nicht nur eine Logik der geschlechtlichen Arbeitsteilung und ihrer gewaltvollen Absicherung, sondern auch eine der Inbesitznahme. Dass vom Patriarchat betroffene Körper zur expliziten Zielscheibe von Gewalt in Kriegen und bewaffneten Konflikten werden, ist kein Zufall. Vergewaltigungen sind immer schon Kriegswaffe gewesen. Die Inbesitznahme von Territorien, Land und materiellem Besitz ist elementarer Teil der Kriegslogik und verzahnt sich mit der männlichen Vorstellung des Zugriffsrechts auf den weiblichen* Körper. Gewalt gegen Frauen* und Queers ist der Versuch der Kontrolle und Unterwerfung, sei es als Mittel der Machtdemonstration in kriegerischen Konflikten, wie aktuell in Israel und Palästina und der Ukraine oder im vermeintlich sicheren Zuhause.
Dies zeigt sich auch am Massaker der Hamas am 7. Oktober, das nicht nur von massiver antisemitischer Gewalt, sondern auch von sexualisierter Gewalt in grausamstem Ausmaß geprägt war. Die patriarchale Inbesitznahme zeigt sich hier sowohl in der anschließenden Leugnung dieser Gewalt, als auch in ihrer Instrumentalisierung für den Krieg gegen die Menschen in Gaza. Die sexualisierte Gewalt an israelischen, jüdischen und anderen Frauen* und Queers soll mit der Eroberung und Zerstörung von Territorien und Körpern - auch durch Vergewaltigungen - der Palästinenser*innen vergolten werden.
Aber nicht nur der israelische Rachefeldzug, der Tag für Tag brutaler und genozidaler gegen die Bevölkerung Gazas geführt wird, legitimiert sich scheinheilig mit dem Vokabular feministischer Kämpfe. Vertreter*innen einer selbsternannten "feministischen Außenpolitik" wie Annalena Baerbock inszenieren sich als Retter*innen von Gewalt betroffener Frauen* und Queers, vor allem im globalen Süden.
Aber auch die "feministische" Rekrutierung von Frauen* und Queers für die Bundeswehr unter dem Deckmantel neoliberaler Diversität treibt die Militarisierung voran, während gleichzeitig eine gesellschaftlicher Rückbezug auf das Bild der Hausfrau* und Mutter stattfindet. Die vermeintliche Diversifizierung der Streitkräfte löst die Dynamik des Krieges nicht auf. Der "Feminismus" der Herrschenden ist nicht mehr als ein Feigenblatt vor der eigenen autoritären Gewalt. Diese Instrumentalisierung erleben wir ständig, etwa wenn Feminismus und der Kampf gegen Antisemitismus sowohl als Legitimation für rassistische Repression herhalten, als auch dafür das Deutschland weiterhin "im großen Stil" in Staaten abschiebt, die für ihre strukturellen Menschen- und Frauenrechtsverletzungen bekannt sind. "Feministische" Außenpolitik bedeutet: Der eigene Wohlstand, der auf (neo-)kolonialer und immer auch patriarchaler Ausbeutung von Land und Körper beruht, wird mit Mauern und Zäunen verteidigt.
Der kriegerische Ausnahmezustand, die Freund-Feind-Logik und die damit einhergehende Autoritarisierung ganzer Gesellschaften versucht nicht nur, die emanzipatorischen und feministischen Kämpfe zu kontrollieren oder zu vereinnahmen, sondern verschlingt sie auch im schwarzen Loch der Polarisierung.
Das erlebten wir, gerade in den letzten Monaten, auch bei unseren eigenen Genoss*innen und Freund*innen. Wir haben erlebt, wie schwer es einigen gefallen ist, die Gewalt der Hamas vom 07. Oktober als das zu verurteilen, was sie ist - antisemitisch, patriarchal, reaktionär-islamistisch. Andere wiederum haben sich erschreckend schnell in den Strudel einer vermeintlich feministischen Vergeltungslogik ziehen lassen und scheinen jegliche Empathie, für die Menschen in Gaza und ihren Kampf ums Überleben und gegen die Vertreibung, verloren zu haben. So mussten beispielsweise in Palästina lebende Queers immer wieder auf ihre eigene Existenz verweisen, da im Zuge der rassistischen Zuspitzung die palästinensische Bevölkerung als queerfeindliche Terrorist*innen wahrgenommen und - teils von der eigenen Community - unsichtbar gemacht wurde. Immer wieder muss, auch bei unseren eigenen Genoss*innen, der Feminismus herhalten, um den jeweils anderen, als "falsch" markierten, Pol zu delegitimieren.
(Queer-)Feminismus in diesen Zeiten bedeutet, dem patriarchalen Eisberg seine militaristische Spitze abzubrechen. Wir verweigern uns der militärischen Disziplin, wir verteidigen unsere Körper gegen die patriarchale Kontrolle und die kriegerische Inbesitznahme. Wir entziehen uns den binären Rastern sexistischer Arbeitsteilung ebenso, wie wir aus den polaren Lagern der Kriegslogik desertieren. Wir halten den falschen Feminismen der Herrschenden unseren (queer-)feministischen Antimilitarismus entgegen. Wenn wir eine Seite wählen müssen, wählen wir die Seite all jener Frauen* und Queers, die gegen Krieg und Gewalt und für eine andere, friedliche, solidarische und fürsorgliche Gesellschaft kämpfen. Brechen wir das Eis der kalten Militarisierung mit der Hitze unserer vielfältigen Begehren.
Interventionistische Linke Frankfurt, März 2024
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