Die Spatzen haben es längst von den Dächern gepfiffen. Wir sind jetzt Teil der Interventionistischen Linken (IL). Gemeinsam mit vielen unterschiedlichen Gruppen und Menschen in Deutschland und Österreich wollen wir am Aufbau einer starken und handlungsfähigen außerparlamentarischen Linken mitwirken.
Wir haben das Ziel vor Augen, unsere Arbeit an einer nachhaltigen lokalen Verankerung in Heilbronn mit der Perspektive einer überregionalen Organisierung zu verbinden.
Sechs Jahre nach der Gründung der „Revolutionären Linken Heilbronn“ und zwei Jahre nach der Initiierung der „Organisierten Linken Heilbronn“ (OL) erscheint uns der Schritt in die IL nur folgerichtig. Auch wenn die wenigsten von uns diesen Weg seit 2009 von Anfang an gemeinsam gegangen sind, sehen wir alle den Beitritt zur IL auch als Ausdruck eines langen – und nicht immer einfachen – Entwicklungsprozesses.
Im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre lag die (radikal) linke Politik-Landschaft in Heilbronn weitgehend am Boden. An verbindlich arbeitenden Gruppen fehlte es ebenso wie an Infrastruktur und Anlaufstellen für interessierte Menschen. Abgesehen von einzelnen Zusammenhängen waren ganze Generationen politischer Aktivist*innen nicht mehr greifbar. Dabei hatte es bis in die 1990er Jahre hinein in Heilbronn vielfältige Initiativen gegeben – von autonomen und antiimperialistischen Kräften bis hin zu diversen K-Gruppen und Parteien. Viele Erfahrungen vergangener Debatten und Kämpfe waren unbeachtet versickert, anstatt weitergegeben worden zu sein. Übrig blieben vor allem Antifa-Zusammenhänge, die sich allerdings eher subkulturell bestimmten und in losen Cliquen agierten.
Vor diesem Hintergrund war mit der Gründung der „Revolutionären Linken Heilbronn“ im Oktober 2009 von Beginn an der Anspruch verbunden, jenseits einer selbstbezogenen Szene- und Identitätspolitik gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit zu gestalten und diese nicht nur vom Seitenrand zu kommentieren. Durch eine verbindliche und kontinuierliche politische Praxis sollte eine schrittweise Verankerung in der Stadt erreicht werden. Wie so viele mit wohlklingenden Adjektiven hantierende Linke konnte die „Revolutionäre Linke Heilbronn“ die selbst gesteckten Ziele oft nicht erreichen. Auch mit der Abgrenzung gegen andere Strömungen oder bei der Pflege eines pathetischen und bisweilen elitären Habitus schossen einige von uns, die damals bereits beteiligt waren, manchmal über das Ziel hinaus.
Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass sich durch die fortlaufende Arbeit in verschiedenen Bereichen seitdem vieles weiter entwickelt hat. Es ist gelungen, tragfähige linke Strukturen in der Stadt aufzubauen, deren Blick sich auf die Gesellschaft und die dort real statt findenden Konflikte und Kämpfe richtet – mit Schwerpunkten im antifaschistischen Bereich und bei der internationalistischen Arbeit. Viele neue Aktivistinnen und Aktivisten sind hinzu gekommen und haben sich in unterschiedlichen Teilbereichen linker Politik eingebracht. Nicht zuletzt gibt es mittlerweile mit dem „Sozialen Zentrum Käthe“ und dem selbstverwalteten Wohnprojekt „W 47“ zwei zum „Mietshäuser Syndikat“ gehörende Häuser in Heilbronn, die sich explizit politisch verstehen.
Mit der Entstehung der „Organisierten Linken Heilbronn“ (OL)im Sommer 2013 haben wir der veränderten Situation in Heilbronn nach langen Diskussionen Rechnung getragen. Dabei ging es nicht nur um eine Namensänderung, sondern vor allem um die Weiterentwicklung und Öffnung unserer Strukturen. Wir wollten (und wollen) mehr Beteiligungsmöglichkeiten schaffen und mit möglichst vielen Menschen die Debatten über linke Strategien, Konzepte und Perspektiven vor Ort und darüber hinaus führen. In Bündnissen und Kooperationen wollen wir auch mit anderen Akteuren in Bewegungen ins Gespräch kommen und das Klima in der Stadt zugunsten fortschrittlicher Positionen und Gesellschaftsentwürfe und zu Ungunsten reaktionärer Ideologien verändern. Deshalb schmieden wir lokale Netzwerke gegen Nazis und Rassisten, arbeiten mit unseren kurdischen Freundinnen und Freunden zusammen oder versuchen, die transnationalen Proteste gegen die europäische Austeritätspolitik auf die Straßen in unserer Region zu tragen. Auch ein Verankerungspunkt wie das „Soziale Zentrum Käthe“ in einem dem Kapitalmarkt auf Dauer entzogenen Haus ist inmitten des Mietenwahnsinns und der neoliberalen Stadtumstrukturierung von enormer Bedeutung für uns. Denn es geht auch darum, im Hier und Jetzt Alternativen zum profitorientierten Wirtschaften und der Verwertungslogik aufzuzeigen.
Wenn wir als radikale Linke glaubhaft bleiben wollen, müssen wir aber auch zeitgemäße Antworten auf die Frage finden, wie wir dem Bruch mit dem Kapitalismus näher kommen. Diese Antworten können nur bedingt theoretisch erörtert werden. Sie ergeben sich eher aus der Praxis, aus dem Handeln in und mit realen Bewegungen. Dafür braucht es unserer Meinung nach neben der lokalen Kleinstarbeit auch eine überregionale – im besten Fall europaweit vernetzte – Organisierung mit einem verbindlichen und trotzdem einladenden Charakter. Wir sehen in der IL ein Erfolg versprechendes Projekt, das in diese Richtung weist und Kern einer solchen Organisierung werden könnte. Daher wagen wir nun den Schritt aus unserem Heilbronner Kokon.
Welche Veränderungen sich damit für uns in der Stadt ergeben, wird sich zeigen.
Klar ist, dass die Entscheidung, Mitglied der IL zu werden, für uns immer eng verknüpft war mit der Diskussion darüber, wie wir unsere Politik vor Ort zukünftig gestalten wollen und können. Die Frage, was es für uns bedeutet, nicht eine marginale Szene zu bedienen, sondern trotz der Defensive der Linken gesellschaftliche Gegenmacht aufzubauen, ist noch nicht beantwortet. Wir stehen am Anfang eines langen Weges. Wir wollen diesen Weg nicht alleine gehen. Unser Eintritt in die IL ist deshalb nicht nur ein Schritt über die Grenzen der eigenen Stadt und Region hinaus, sondern auch ein Angebot an die Menschen in unserer Stadt. Interventionistische Politik ist mehr als eine aktivistische Phase in jungen Jahren. Wenn wir es ernst meinen mit Selbstermächtigung und Selbstorganisierung, brauchen wir einen Organisierungsrahmen, der möglichst vielen Menschen offen steht.
Ob die Lohnarbeit die Energie frisst, das Familienleben erster Bezugspunkt ist oder die eigene Politisierung bereits 1968 begonnen hat – in der gemeinsamen Diskussion entstehen neue Möglichkeiten. Wie schaffen wir den Spagat zwischen der Offenheit unserer Strukturen und der notwendigen Verbindlichkeit? Wie schaffen wir es, die Offensive der Rechten zu kontern, ohne uns in Abwehrscharmützeln zu verlieren? Welche Herangehensweise braucht es, um als Linke nicht nur ständig auf die Bösartigkeiten des Alltags zu reagieren, sondern langfristige Projekte zu verfolgen? Wie bestimmen wir unser Verhältnis zu Partei und Parlamenten? Lasst uns diese Diskussionen führen – in Heilbronn und mit Genossinnen und Genossen aus vielen anderen Städten.
Das Projekt der Interventionistischen Linken beginnt nun auch in Heilbronn. Es liegt viel Arbeit vor uns und wir freuen uns auf die neue Herausforderung. Die Organisierte Linke Heilbronn (OL) ist jetzt Teil der Interventionistischen Linken.
Organisierte Linke Heilbronn (IL), Dezember 2015