Für eine Gesellschaft ohne Rassismus

Keupstraße ist überall – Kundgebung und Demo in München
Tag X Keupstraße
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Die Keupstraße ist bekannt als florierende Geschäfts- und Wohnstraße der „türkischen Community“ in Köln – weit über die Stadtgrenzen hinaus. Am 9. Juni 2004 explodierte dort eine vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) gezündete Nagelbombe. Dieser Anschlag sollte in der Straße möglichst viele Menschen töten und verletzen sowie ihre Geschäfte und Häuser zerstören. Nur durch glückliche Zufälle gab es dabei keine Todesopfer.

Das Attentat auf die Keupstraße ist Teil der Mord- und Anschlagserie des NSU und offenbart ihre rassistische Logik. Die vom Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse betroffene deutsch-iranische Familie sowie die Opfer der NSU-Mordserie Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat, haben sich mit ihren Familien ökonomisch gefestigte Existenzen in der Bundesrepublik aufgebaut. Ihre Biografien zeugen von einer gesellschaftlichen Realität, in der migrantisches Leben ein historisch gewachsener, prägender und dauerhafter Bestandteil ist. Gerade für diese Perspektive steht die Keupstraße symbolisch. Und genau dieser Perspektive galt der NSU-Terror.

Lange wurde der rassistische Hintergrund auch von linken und antirassistischen Gruppen nicht zur Kenntnis genommen. Dabei zeigt uns der Bombenanschlag auf die Keupstraße deutlich, wie der tödliche Rassismus von Neonazis im Zusammenspiel mit staatlichen Ermittlungsbehörden, Geheimdiensten, Medien und Öffentlichkeit in der gesamten NSU-Mordserie funktioniert hat. Die rassistischen Morde und Anschläge fanden durch die Verfolgung der Behörden ihre Fortsetzung: Bis zur Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011 ermittelten sie in erster Linie gegen die Opfer sowie deren Angehörige und deren Umfeld. Das Wissen und die Perspektiven der Betroffenen ignorierten sie ebenso wie deutliche Indizien für eine rassistische Tatmotivation. So kann zu Recht behauptet werden: „Staat und Nazis – Hand in Hand“. Die Medien und die Öffentlichkeit flankierten dieses Bündnis mit dem Gerede von „kriminellen Ausländermilieus“ und „Dönermorden“. Diese Opfer-Täter-Umkehrungen sind keine Ausnahmefälle: Betroffene rassistischer Gewalt stehen immer wieder – so haben es auch die Anschläge von Lübeck, Mölln und Hattingen gezeigt – im Fokus der Verdächtigungen. Für Gerechtigkeit und Aufklärung müssen sie gegen politischen, juristischen und gesellschaftlichen Widerstand kämpfen.

Vor diesem Hintergrund hat sich in Köln die Initiative „Keupstraße ist überall“ gegründet, um in Vorbereitung auf die Verhandlungstage im NSU-Prozess in München aktiv zu werden. In vielen weiteren Städten haben sich ebenfalls Gruppen und Initiativen zusammengefunden, um den NSU-Komplex aufzuklären, seine gesellschaftliche Dimension sichtbar zu machen und die Betroffenen des rassistischen Terrors solidarisch zu begleiten. Gemeinsam  mobilisieren wir nun nach München, um Solidarität mit den mehr als 30 Nebenkläger_innen und Angehörigen der Opfer zu demonstrieren. Wir protestieren gegen ihre jahrelange rassistische Ausgrenzung und Diskriminierung und fordern eine schonungslose Aufklärung: Wer gehört(e) alles zum NSU? Wie viel Staat steckt in ihm und welche Rolle spielen Politik, Polizei und Geheimdienste?

Deshalb brauchen wir die Unterstützung von allen gesellschaftlichen Gruppen, denen bewusst ist, dass der Gerichtsprozess alleine nicht ausreichen wird, um die Geschichte der Mord- und Anschlagserie und die jahrelangen Drangsalierungen der Betroffenen und Angehörigen aufzuklären und die Ursachen des rassistischen Terrors zu beseitigen. Mit einem Aktionstag (am Tag X) sowie einer dauerhaften Anwesenheit während der gesamten Verhandlung der Keupstraße wollen wir mit Vielen vor und im Gericht ein sichtbares Zeichen setzen! Jahrelang wurden die Betroffenen aus der Keupstraße und die Opferangehörigen in ganz Deutschland terrorisiert. Jetzt ist der Moment gekommen, geschlossen und unmissverständlich in München unserer Wut und Empörung Ausdruck zu verleihen.

Der NSU hat sein Ziel nicht erreicht: Migrantisches Leben ist eine Realität in Deutschland, die weder durch rassistischen Populismus, noch durch Bomben- und Mordanschläge ausgelöscht werden kann. Sie ist integraler Bestandteil einer Gesellschaft, die sich nicht durch Terror spalten lässt. Die Keupstraße geht in die Offensive: Sie ist heute ein Ort, an dem rassistischer Terror angeklagt wird und solidarische Bündnisse geschmiedet werden. In diesem Sinne: Keupstraße ist überall.

Am Ende des ersten Verhandlungstages zu dem Attentat in der Keupstraße, am 20.1.2015, werden wir gemeinsam in München demonstrieren. Vor dem Gerichtsgebäude wird ab 9 Uhr eine Dauerkundgebung stattfinden. Ab 17.30 Uhr demonstrieren wir vom Gerichtsgebäude in der Nymphenburgerstraße bis zum Karlsplatz/Stachus. Nach der Demonstration ist ein Treffen aller Beteiligten in den Räumen von Werkmünchen an der Dachauerstraße 114 (Trambahn-Haltestelle Leonrodplatz) geplant.

http://keupstrasse-ist-ueberall.de/