Etwas über 50 Menschen haben sich gestern zu einer Kundgebung in Berlin-Kreuzberg versammelt und protestierten gegen den geplanten Bau einer sogenannten "MUF", einer "Modularen Unterkunft für Flüchtlinge". Doch wer einen rechten Mob mit "Nein zum Heim" Parolen vermutete, lag völlig falsch. Denn die Kundgebung war ein Zeichen aktiver Solidarität mit Geflüchteten. Das Motto "Wohnraum für Alle statt Armenhäuser" zeigte die Richtung: statt minderwertigen Gemeinschaftsunterkünften solle für das selbe Geld lieber ein sozialer Wohnungsbau angeschoben werden, der Geflüchteten und Alteingesessenen gemeinsam zu gute kommt. In diesem Tenor forderten gestern an der der Kreuzung Franz-Künstler-Straße/Alte-Jakobstraße zahlreiche Rednerinnen und Redner einen Neustart der Berliner Wohnungspolitik. Mit dabei waren Geflüchtete, Nachbarn aus dem Kiez, zwei Architekten und Aktive der Bündnisse "Wohnraum für Alle" sowie vom Berliner Mietenvolksentscheid.
Wie so eine MUF aussehen soll, wurde mit einem Grundriss aus Flatterband auf dem Pflaster dargestellt. Gleich zu Beginn der Kundgebung gab es eine Begehung, die zum Probewohnen einlud. Grundlage war der "Amtsentwurf" des Berliner Senats. Noch ist nicht entschieden, ob genau dieser in Kreuzberg umgesetzt wird - aber anderswo wird bereits mit dem Bau begonnen. Klar wurde: gemütlich wird es nicht in den MUF´s vom Amt. Gebaut werden soll Anstaltsarchitektur mit endlosen Korridoren, Aufenthaltsräumen ohne Fenster, ebenfalls fensterlosen Gemeinschaftsküchen und Mehrbettzimmern, die eher an ein Krankenhaus erinnern. Ein Architekt präsentierte daraufhin einen Gegenentwurf, der nicht nur mehr Licht und Luft vorsieht, sondern auch deutlich machte: für die Kosten einer MUF kann ebensogut ein Appartmentblock mit richtigen Wohnungen gebaut werden.
Wichtig war den OrganisatorInnen dementsprechend das bemeinsame Interesse von Geflüchteten und anderen Mieterinnen und Mietern. Denn die MUF´s sind vom Senat für eine spätere Umnutzung für "andere Bevölkerungsgruppen" vorgesehen. Wenn also der Bedarf von Geflüchteten weniger wird, werden sich hier bald auch andere wiederfinden, die sich die Berliner Mieten nicht mehr leisten Können: Rentner, Obdachlose, Studierende. Geplant ist nichts anderes als der Einstieg in eine Architektur neuer Armenhäuser für Berlin. Gegen diese Vision einer verwalteten Stadt der Armut wandte sich unter anderem die Rednerin der IL Berlin, deren Redebeitrag wir hier dokumentieren.
Redebeitrag der Stadt-AG der IL Berlin am 14.09.16
Berlin könnte sich eigentlich brüsten: Es gehört zu den wenigen Ländern, die die Gesetzgebung bezüglich der Unterbringung von Geflüchteten liberal auslegt. In Berlin gilt: Alle Flüchtlinge, außer die aus einem sogenannten Sicheren Herkunftsstaat , dürfen nach spätestens 6 Monaten in eine eigene Wohnung ziehen! Eigentlich toll, könnte man denken. Doch das ist bloße Theorie.
Das perfide ist: In Berlin gibt es kaum noch Wohnungen. zu Mieten, die vom LaGeSo, bzw. dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), übernommen werden. Flüchtlinge machen ähnliche Erfahrung, wie wir alle, wenn wir eine bezahlbare Wohnung suchen: Es gibt viel zu wenig guten und bezahlbaren Wohnraum, vor allem in den Innenstadtbezirken.Dabei wäre Geld genug da! Berlin hat einen enormen Haushaltsüberschuss.... Aber - statt großangelegt sozialen Wohnungsbau zu planen, hat sich der Senat etwas anderes ausgedacht: Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge! Diese sogenannten MUFs sollen an mind. 37 Standorten in Berlin gebaut werden.
ABER - MUFs sind keine Wohnungen! MUFs sind nichts anderes, als stinknormale, beschissene Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete. An einem Standort sollen zwischen 200 und 700 Personen leben. Gäste, wie die ständigen Bewohner_innen werden am Eingang von Pförtner kontrolliert. Um die Unterkünfte wird ein großer Zaun gebaut – Security-Personal werden die MUFs bewachen. Das heißt: die Geflüchteten werden von ihrer Nachbarschaft regelrecht abgeschirmt. An ein normales Zusammenleben im Stadtteil ist nicht zu denken!In den MUFs müssen sich 15 Pers. eine 16 qm Küche teilen. Für 15 Personen gibt es nur einen 16 qm Gemeinschaftsraum, nur 2 Toiletten und 2 Duschen. In den MUFs sind im großen Stil hellhörige 2-Bett-Zimmer geplant. Zwei Personen auf 16 qm. Wie genau das aussieht könnt ihr an den ausgehängten Plänen sehen. Eine Ausnahme bildet das Erdgeschoss, in denen es separat begehbare Wohneinheiten geben wird.
Der Senat prahlt: MUFs sind modular -bauklotzmäßig zusammensetzbar – und umnutzbar. Die Nutzung dieser zweitklassigen Gebäude ist nur für die ersten 4 Jahre für Geflüchtete geplant. Dann sollen dort Senior_innen, Studies un arme Menschen wohnen! Nur: schon jetzt ist klar, ein Umbau der oberen Etagen in Wohnungen wäre unglaublich aufwändig. Und der Bau der MUFs kostet die Stadt jetzt schon fast soviel wie ein regulärer Wohnungsbau. Deshalb ist es kaum vorstellbar, dass der Senat später nochmal massig Geld investiert, um aus den Wohnheimen Wohnungen zu machen, die dann immer noch minderer Qualität wären! Voraussehbar ist also, dass die Gebäude weiterhin Wohnheime bleiben - neue Armenhäuser in Berlin!In den Worten von Matthias Köhne (SPD), dem Bezirksbürgermeister von Pankow klingt das blumig: „Das Bezirksamt begrüßt den zügigen Neubau von Wohnungen.“ Was falsch ist – und er ergänzt: „Wichtig ist uns insbesondere, dass die modularen Unterkünfte perspektivisch auch von anderen Bevölkerungsgruppen genutzt werden sollen!“
Aber das wollen wir nicht. Denn klar ist: In ein MUF zieht nur, wer keine andere Wahl hat! Und wer dort erst einmal gelandet ist, wird alles tun, um dort wieder wegzukommen. Es wird uns disziplinieren jeden noch so beschissen Job anzunehmen – um nur ja nicht in den MUFs zu landen. Wir fordern: Schluss mit den Massenunterkünften – egal ob für Flüchtlinge, Senior_innen, Studies o. arme Menschen! Jeder Mensch sollte seinen eigenen Bedürfnissen gemäß wohnen dürfen! Wohnen ist ein Menschenrecht. Wir brauchen gutes guten und bezahlbaren Wohnraum für alle!