Dokumentiert aus der Zeitung Unsere Zeit vom 10. Mai 2013:
Mischa Aschmoneit ist aktiv in der Interventionistischen Linken (IL) Die Interventionistischen Linke (IL) ist ein bundesweiter Zusammenschluss von radikal-linken Gruppen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, praktisch in die realen politischen und sozialen Auseinandersetzungen einzugreifen und auf den revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus hinzuarbeiten. Die IL beteiligte sich maßgeblich an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, an der Kampagne "Castor Schottern", an der Verhinderung der Naziaufmärsche von Dresden und an Blockupy Frankfurt. Gruppen der IL existieren in Berlin, Bielefeld, Bremen, Düsseldorf, Göttingen, Hamburg, Hannover, Hannover, Karlsruhe, Kassel, Kiel, Köln, Lübeck, Mainz, Mannheim, Marburg, München, Münster, Norderstedt, Nürnberg, Tübingen und Worms.
UZ: Am 31. Mai und 1. Juni werden Tausende unter dem Motto Blockupy versuchen, das Frankfurter Bankenviertel, insbesondere die Europäische Zentralbank zu blockieren, um gegen das Krisenregime der EU zu protestieren. Was kann die Blockade einer Bank bewirken?
Mischa Aschmoneit: Unsere Aktion wirkt in drei Hauptrichtungen: Sie erschwert erstens für einen begrenzten Zeitraum das reibungslose Funktionieren einer zentralen Institution des kapitalistischen Krisenregimes, der EZB.Sie signalisiert zweitens den Menschen in Deutschland und weltweit, dass es auch hier Protest, Widerstand und Internationale Solidarität gibt. Und sie ermutigt drittens Menschen dazu, die bürgerlichen Regeln des Protestes zu überschreiten und einen Schritt weiter in Richtung Widerstand zu gehen.
UZ: Spricht jetzt nicht alles dafür, Opel Bochum zu blockieren und die Auslieferung von Fahrzeugen aus dem Werk zu stoppen? Warum die Konzentration auf die Banken?
Mischa Aschmoneit: Wir haben uns unter anderem während des längsten Streiks, den die Gewerkschaft NGG in ihrer Geschichte geführt hat, wirkungsvoll an den Blockaden von Gate Gourmet Düsseldorf beteiligt. Wenn die Beschäftigten des Bochumer Opel Werkes in den Kampf gehen, werden wir sicher nicht abseits stehen. Die Blockade der EZB ist ein zentraler Aspekt von Blockupy, aber nicht die einzige Aktion. Wir werden beispielsweise am Nachmittag die Produktions- und Verkaufsbedingungen von Textilien durch Aktionen in Frankfurt thematisieren und damit auch einen Beitrag zu den anstehenden Kämpfen in diesem Bereich leisten. Ich kann bei uns keine einseitige Konzentration auf Banken erkennen und würde im Gegenzug fragen, ob es richtig wäre, die Banken nicht anzugehen. Zugleich ist zu untersuchen, welche Teile des Finanzkapitals denn derzeit die "am meisten imperialistischen Elemente" sind, von denen die größte Bedrohung für den Frieden und die ArbeiterInnenklasse ausgeht und dementsprechend dagegen zu agieren. Zu guter L etzt stimme ich der Genossin Beate Landefeld zu, die in ihrer Analyse zur Struktur der herrschenden Klasse feststellt: "Der Finanzsektor dürfte heute den größten Teil der staatlichen Gruppe der Bourgeoisie stellen". Es gibt also gute Gründe, das Frankfurter Finanzzentrum lahmzulegen.
UZ: Blockupy 2012 steht auf der einen Seite für völlig absurde Versammlungsverbote und ein Überreagieren des Staates und auf der anderen Seite für das Ignorieren der Verbote, für Ungehorsam. Wächst die Bereitschaft, sich zu widersetzen?
Mischa Aschmoneit: Ja, sie wächst. Nicht so schnell, wie es nötig wäre, aber ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg.
UZ: Und doch wirkt die Abschreckung. Beim Anlegen mit der Staatsmacht, holen wir uns häufig eine blutige Nase. Und ein Urteil wie das gegen Tim H. aus Berlin, der wegen angeblicher Rädelsführerschaft bei einer Blockade in Dresden eine mehrjährige Haftstrafe absitzen soll, lässt uns auch nicht kalt. Ist das bei der Mobilisierung nach Frankfurt zu spüren?
Mischa Aschmoneit: Ich glaube, Menschen reagieren unterschiedlich auf Repression. Denk doch nur an die Berufsverbote aus der Zeit des heute von Vielen hochgelobten Kanzlers Willy Brandt. Da gab es die einen, die sich angepasst haben und die anderen, die dennoch weitergemacht haben. Wir machen heute eigentlich eher die Erfahrung, dass bei einer zunehmenden Anzahl von Menschen die Notwendigkeit des Widerstandes höher gewertet wird als die eigene Angst vor Repressionen. Das ist aber auch eine Frage, ob Menschen in solidarische Strukturen eingebunden sind, die ihnen den Rücken stärken. Wir als IL haben diese Strukturen, deshalb sind viele unserer AktivistInnen auch bei Aktionen des Zivilen Ungehorsams mit dabei. Ich rechne auch bei den Blockupy-Blockaden nicht mit einem Rückgang der Beteiligten und hoffe natürlich auf eine Steigerung.
UZ: Massenblockaden haben sich im Kampf gegen Neofaschismus als erfolgreiche Aktionsform etabliert. Sie sind vor allem erfolgreich, wenn tatsächlich Tausende zusammenstehen und Spaltungsversuche in gute und böse Antifaschisten verhindern können ...
Mischa Aschmoneit: Du hast recht, wichtig ist, dass Tausende zusammenhalten und sich nicht spalten lassen. Aber das reicht nicht, um erfolgreich zu sein! Es kommt doch nicht darauf an, ausschließlich die Welt zu interpretieren, zu kommentieren, zu kritisieren, sondern darauf, sie zu verändern. Die Einheit von Theorie und Praxis muss hergestellt werden. Deshalb besteht die Aufgabe der revolutionären Organisation nicht nur darin, den ideologischen Kampf offensiv zu führen. Sie muß vor allen Dingen in der Lage sein, erfolgreiche kollektive Aktivitäten zu organisieren - anderenfalls wird sie ein harmloser Diskussionszirkel sein.
Ziel der Aktivitäten ist dabei ein doppeltes. Es geht darum erstens, möglichst einen materiellen Erfolg zu erzielen (Lohnerhöhung, Verhinderung von Naziaufmarsch, Miete gesenkt etc), aber zugleich die Grenzen der Reformen im Kapitalismus erkennen und zweitens, Menschen zu ermutigen, kollektiv für ihre Interessen zu kämpfen und sich dabei nicht an die von der bürgerlichen Klassenherrschaft in Gesetzesform gegossenen Regeln zu halten.
Der Grad des eigenen Engagements hängt dabei von der Persönlichkeit, den Lebensbedingungen und der konkreten Situation ab - es geht unserer Strategie des Zivilen Ungehorsams nicht darum, Märtyrerinnen und Märtyrer zu produzieren. Zugleich mutet sie den Handelnden sehr wohl ein individuelles Risiko zu: Wer streikt, kann entlassen werden - wer Nazis blockiert, kann verletzt werden. Doch ohne Menschen, die bereit sind, ein Risiko einzugehen, kann der Kapitalismus nicht überwunden werden, erschöpft sich Kapitalismuskritik in selbstgenügsamen Wohlfühlphrasen. Wir als organisierte Revolutionärinnen und Revolutionäre, egal ob bei euch in der DKP oder bei uns in der IL, müssen daran arbeiten, verschiedene Formen auszuprobieren, in denen der Klassenkampf konkret in unserem Sinne geführt werden kann. Blockupy ist ein kleiner Schritt dabei, der jedoch wichtig ist, weil Menschen nicht nur kapitalismuskritisch daherreden, sondern auch handeln. Macht mit - am besten in organisierter Form, übernehmt Verantwortung für das Gelingen der Aktionen.
Die Fragen stellteWera Richter