Bei den parlamentarischen Linken liegen in diesen Wochen und Monaten grünrotrote Rechenspiele und die Sorge, dass die LINKE aus dem Bundestag fliegt, dicht beieinander. Dabei würden weder der „Erfolgsfall“ einer eine Mitte-Links-Regierung noch das Scheitern und Verschwinden der Linkspartei von der Bundestagsbühne die gesellschaftliche Linke insgesamt stärken. Unser Weg ist ein anderer. Zwar kann eine starke parlamentarische Linke ein wichtiger Baustein im Klassenkampf sein, wenn sie die systematischen Ungerechtigkeiten anprangert und die staatlichen Abläufe, die fast immer Kapitalinteressen den Vorzug geben, offenlegt. Auch spielen kreative, linke Köpfe in Verwaltung und Parlament oft eine wichtige Rolle, wenn starke soziale Bewegungen erkämpfen, dass gestern noch in Stein Gemeißeltes heute neu geregelt werden kann. So etwas kann einerseits fast über Nacht passieren, andererseits oft vor dem Hintergrund jahrelangen, ausdauernden Kämpfens auf der Straße. So entstehen Etappensiege der Bewegungen.
Für uns ist aber auch klar: Der Sozialismus kann nicht auf parlamentarische Mehrheiten und reformistische Kleckerstrategien zählen. Die Strategie linker Regierungen ist eine Sackgasse, denn der Weg der Reformen ist zu begrenzt und die Antworten auf den globalen Kapitalismus ohnehin nicht innerhalb der Nationalstaaten zu finden. Die grundsätzliche Ausrichtung auf Kapitalinteressen ist in die DNA aller bürgerlicher Staaten einprogrammiert. Daran kann keine Regierungskonstellation und kein Parteiprogramm Grundsätzliches ändern. Wer als Antikapitalist:in auf eine Systemüberwindung per Wahl und Regierungspolitik hofft, wird enttäuscht werden.
Es gibt in den letzten Jahren verstärkt zivilgesellschaftliche Mitmachformate, in denen Bewegungen in Parteidiskussionen oder staatliche Projekte einbezogen werden sollen. Das birgt die Gefahr, sich zu sehr auf die Regeln des parlamentarischen Betriebes und der Verwaltungsabläufe auszurichten. Die eigentlichen politischen Ziele werden vermischt mit Konflikten unterschiedlicher Parteiflügel. Das was richtig ist und durchgesetzt werden muss, soll sich an die Regeln der Verwaltungsarbeit anpassen.
Die Welt steht in Flammen und es mag naheliegend scheinen, in die Parlamente zu gehen. Aber die Politik der kleinen Schritte ist zum Scheitern verurteilt. Alle Hoffnungen, dass andere Koalitionen die herrschende Politik umdrehen könnten, werden enttäuscht werden. Diese Enttäuschung wird Auswirkungen weit über die Parlamente hinaus haben, Frustration erzeugen und dem Kampf für Systemüberwindung insgesamt schaden. Die Macht, die nötig ist um das System zu stürzen, wird hauptsächlich erreicht, in dem Bewegungen in der Durchsetzung ihrer Forderungen und ihrer Spielregeln an Stärke gewinnen. In kleinen und großen Schritten, die in großer Mehrheit nicht in Parlamenten, sondern auf der Straße, in den Betrieben und Nachbarschaften, lokal und transnational vernetzt, gegangen werden, können wir die Beschränkungen des politischen Systems überwinden. Unser Ziel muss es sein, selbst durchsetzen zu können, was wir fordern, denn die Systemüberwindung kommt nicht per Mehrheitsbeschluss. Dabei können uns starke linke Bundestagsfraktionen nicht helfen. Wir müssen mit unseren Kolleg:innen und Nachbar:innen lernen, dass wir gewinnen können und dass wir es nur tun, wenn wir es selbst tun. Nicht die Durchsetzung einer speziellen Forderung zeigt am besten unsere Kraft, sondern dass wir möglich machen, was eigentlich nicht möglich sein soll.
Wir kämpfen für das Ende der kapitalistischen Produktionsweise, für das Ende sexistischer und rassistischer Gewalt, und für die volle Entfaltung all dessen, was wir gemeinsam sein können. Um dieses Ziel zu erreichen, dürfen wir uns von der Logik des kleineren Übels nicht bestechen lassen. Und wor müssen alle greifbaren Mittel einsetzen, um in jedem einzelnen Kampf stärker zu werden und zu gewinnen. Dazu braucht es Genoss:innen an vielen Orten, die das gleiche Ziel verfolgen. Denn am Ende entscheidet die Straße.