Lange unbeachtet, geriet eine Behörde namens Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten, kurz BIMA, jüngst in den Fokus von Protesten. Die BIMA verwaltet Häuser und Grundstücke in Staatsbesitz und tut dies gemäß ihrem Leitbild als »Immobiliendienstleister des Bundes«. Auf der Homepage der Behörde liest man dazu: »Unser Auftrag ist die moderne und effiziente Betreuung unserer Kunden; dabei stehen im Blickpunkt die Liegenschaften - vom Bürogebäude, über militärische Anlagen bis hin zu den Waldflächen. Neben dem Neubau und der Pflege des Bestandes sind wir für die Verwertung entbehrlicher Liegenschaften zuständig.«
»Entbehrlich« sind aktuell rund 5.000 Mietwohnungen allein in Berlin, von denen 1.700 in den nächsten vier Jahren meistbietend verkauft werden sollen. In anderen Städten steht Ähnliches bevor. MieterInnen werden hierzu nicht gefragt, Ziel ist der Verkauf an den Meistbietenden. Die BIMA zeigt sich damit als Paradebeispiel des Neoliberalismus: Privatisierung ist Hui, öffentliches Eigentum ist Pfui, die akute Wohnungskrise interessiert nicht.
Protest: Schöneberger und Dragoner
In Berlin regte sich dazu bisher an zwei Orten Widerstand - MieterInnen in Schöneberg gründeten eine Bürgerinitiative gegen den Ausverkauf ihrer 48 Wohnungen und schafften es damit sogar, die Berliner SPD zu Reaktionen zu bewegen: »Die Grundstücke im Bundeseigentum sollten nicht mehr nur fiskalischen Interessen dienen«, forderte SPD-Landeschef Jan Stöß im Juni. Doch was sagt die BIMA? Sie reagierte pikiert auf die Balkontransparente ihrer Schöneberger MieterInnen und forderte in einem Brief, »Kaufinteressenten nicht pauschal als Spekulanten zu diffamieren«.
In Berlin-Kreuzberg dagegen sind es nicht MieterInnen, sondern AnwohnerInnen, die sich zur Initiative Stadt von Unten zusammengeschlossen haben. Sie verlangen, dass ein Areal von 50.000 Quadratmetern im Sinne einer sozialen Stadtentwicklung gestaltet und bebaut wird. Das Gelände liegt hinter dem Finanzamt am Mehringdamm, einst erbaut in Zeiten von Preußens Gloria als Kaserne des Garde-Dragoner-Regiments. Das Areal könnte nun die Chance bieten, im hippen Bergmannkiez endlich wieder Mietraum für Normal- und Geringverdiener zu schaffen. Doch die BIMA weigert sich stur und forciert den Verkauf zum Höchstpreis. Das aktuelle Gebot beträgt 36 Millionen Euro - ein Preis für Hedgefonds, nicht für soziale Stadtentwicklung.
Unter Druck verwies der Sprecher der BIMA stets auf den gesetzlichen Auftrag seiner Behörde. In der Tat sieht das BIMA-Errichtungsgesetz von 2004 eine Verwaltung »nach kaufmännischen Grundsätzen« vor und enthält das Ziel, »nicht betriebsnotwendiges Vermögen wirtschaftlich zu veräußern«. Die BIMA ist damit eine Privatisierungsagentur in Permanenz, nicht unähnlich der ehemaligen Treuhand, die das DDR-Vermögen »abwickelte«, oder dem Liegenschaftsfonds des Landes Berlin, der ebenfalls keine politischen Ziele kennt, sondern leere Kassen füllen soll.
Dieser Spar- und Verwertungszwang ist politisch gewollt. Die genannten Agenturen funktionieren nach der Logik des neoliberalen Staates, der öffentliches Eigentum gezielt abbaut und damit die Einnahmen des Staates schmälert, so stets neue Sparzwänge aufbaut. Hinter der Privatisierung steckt nicht Kopflosigkeit, sondern sie ist eine Herrschaftstechnik.
Wenn eine staatliche oder kommunale Wohnungsbaugesellschaft die Mieten erhöht und die Reparaturen liegen lässt, dann müssen gewählte PolitikerInnen dafür den Kopf hinhalten. Wenn ein Fonds oder eine Kapitalgesellschaft dasselbe tut, dann ist im Niemandsland zwischen Hausverwaltung, Aufsichtsrat, Vorstand und Aktionärsversammlung keiner zuständig - insbesondere nicht die Politik. Denn wenn diese den Unternehmen hineinredet, das wär' ja Sozialismus.
Es gibt nicht einmal einen schrulligen Privateigentümer, vor dessen Tür protestiert werden kann und an dessen »soziale Verantwortung« Gewerkschaften und Mieterbund appellieren könnten. Die Privatisierung von öffentlichen Betrieben und Wohnungsbeständen ist somit eine gewollte Entpolitisierung und Entkörperung. Über die Verwendung von Eigentum wird nicht diskutiert, weder ethisch noch politisch. Sie unterliegt allein den Zwängen eines anonymen Marktes - und der kümmert sich nicht um Interessen von MieterInnen, selbst wenn diesen die Obdachlosigkeit droht.
Spaltung der Gesellschaft und Entpolitisierung
Was folgt, sind wachsende Profite derjenigen Teile der Mittel und Oberschicht, die sich in Krisenzeiten Anteile an Immobilienfonds leisten können, Verarmung und in Metropolen wie Berlin auch sichtbare Verelendung von MieterInnen, die kein Kapital zum Investieren haben. Die Tatsache, dass niemand zuständig ist, die Politik sich aus öffentlicher Verantwortung zurückzieht und die Marktlogik von »kaufmännischem« und »wirtschaftlichem« Verhalten längst Gesetzesrang hat, führt in der Bevölkerung zu einem Gefühl von Ohnmacht, da ihre Stimme ohne Einfluss bleibt. Die Menschen erfahren, dass die regierende Politik nicht den Anspruch hat, zentrale Grundbedürfnisse wie das Wohnen auch nur ansatzweise sicherzustellen. Seitens der Herrschenden wird diese Ohnmacht und Passivität dann gerne zynisch als »Politikverdrossenheit« bemeckert.
Die BIMA und ihr Geschäftsgebaren sind kein Einzelfall, keine Panne oder ein »Skandal«, sie sind gewollter Alltag im Neoliberalismus. Diesem Alltag müssen wir etwas entgegensetzen, die Ohnmacht überwinden, indem nicht nur gegen den Verkauf von diesem oder jenem Häuserblock protestiert wird. In Berlin wurde hier schon ein erster Erfolg geschafft: Der Berliner Senat hat angeboten, die Wohnungsbestände der BIMA zu kaufen und in Landeseigentum zu übernehmen. Alle Berliner Bundestagsabgeordneten, auch jene der CDU, unterstützen mittlerweile diese Forderung.
Nach jahrelangem Privatisierungskurs ist das ein echter Erfolg sozialer Bewegung. Doch stehen bleiben dürfen wir hier nicht: Ob die BIMA an das Land verkauft, ist höchst ungewiss. Finanzminister Wolfgang Schäuble, ebenso wie neoliberale HardlinerInnen in SPD und CDU im Bundestag, verweigern sich jeder Abkehr vom Höchstpreisverfahren.
Doch selbst wenn in Berlin alles glattgehen sollte: Die BIMA verwaltet Wohnungen in ganz Deutschland, auch in eurer Stadt. Was passiert mit denen? Und auch für Berlin gibt es Unbehagen - der rot-rote Senat verkaufte allein im Jahr 2004 nicht 4.000 oder 5.000, sondern 64.000 Wohnungen der ehemals staatlichen GSW an den Finanzinvestor Cerberus - zu deutsch »Höllenhund«. Wer garantiert, dass so etwas nicht beim nächsten Kassenloch wieder passiert? Weitergehende Forderung muss deshalb sein, nicht nur in Berlin, sondern bundesweit die Logik der BIMA umzukehren. Aus der Privatisierungsagentur muss eine Vergesellschaftungsagentur werden.
Eine Vergesellschaftungsagentur würde öffentliches Eigentum nicht abbauen, sondern aufbauen. Ziel wäre nicht mehr, sondern weniger Marktstrukturen zu schaffen. Es bedeutet nicht, dass ein Immobilienkonzern entstehen soll, in dem die MieterInnen anstelle des Kapitals plötzlich vom Staat verwaltet werden - eine wirklich soziale Form des öffentlichen Eigentums ist nur möglich, wenn die realen EigentümerInnen, also die Öffentlichkeit, auch mitreden können. Nur dies kann neue Privatisierungswellen verhindern.
Vergesellschaftung ist daher die Forderung, und dies meint radikale Demokratisierung, meint eine Mitsprache auf lokaler und kommunaler Ebene. Modelle dafür wären zu diskutieren - etwa Genossenschaften oder städtische Wohnungsbaugesellschaften mit gewählter Selbstverwaltung. Vieles ist denkbar, die Stoßrichtung muss jedoch klar sein: Öffentliches Eigentum bedeutet nicht, dass aus der Ohnmacht gegenüber dem Markt die Ohnmacht gegenüber dem Staat wird.
Im Leitbild auf der BIMA-Homepage liest sich Folgendes: »Wir setzen unsere Kunden in das Zentrum unseres Denkens und Handelns. Faire und verlässliche Partner wollen wir sein. Herausforderungen spornen uns an, und wir entwickeln Lösungen für neue Anliegen. Dabei sind wir offen für neue Wege.« Ein neues Anliegen, wieso nicht? Setzen wir statt »Kunden« einfach »MieterInnen« ein und drücken den Laden in eine andere Richtung!
Forderungen zum Umbau der BIMA
Sofortforderungen wären erstens ein bundesweiter Verkaufsstopp aller BIMA-Wohnungen an PrivateigentümerInnen, zweitens die Änderung des BIMA-Gesetzes durch Ausrichtung nach demokratischen und sozialen Kriterien. Der Gebrauchswert Immobilie, also das Wohnen und Leben, stünde im Mittelpunkt, nicht die Verkaufsrendite. Es wäre daher nur noch Verkauf in öffentliches Eigentum zulässig. Da der Gebrauchswert sich von den Nutzenden her bestimmt, müssen MieterInnen und Stadtbevölkerung diese neuen öffentlichen Wohnungsbestände selbst verwalten, auf lokaler oder kommunaler Ebene. Konkrete Modelle dafür wären zu entwickeln - in Schöneberg etwa machten die MieterInnen ein konkretes Kaufangebot in Kooperation mit einer Genossenschaft. Wichtig ist ein ewiges Privatisierungsverbot für diese Bestände - sie dürfen nicht nach der nächsten Wahl wieder zum Verkauf stehen. Auf Bundesebene sollte die BIMA dann in einem abschließenden Schritt mit laufenden Steuermitteln (z.B. Grundsteuer, Vermögenssteuer) ausgestattet werden, um jedes Jahr neue Wohnungsbestände aufzukaufen und in lokales Gemeineigentum zu überführen. Sie würde ihren Zweck komplett umkehren: von der Privatisierungs- zur Vergesellschaftungsagentur.
Angesichts der Tatsache, dass in Schöneberg trotz eines Gebots von 4,8 Millionen Euro seitens der MieterInnen und einer lokalen Genossenschaft kein Verkauf zustande kam, muss der Druck auf die BIMA bundesweit erhöht werden. Eine Politisierung des Konflikts in Richtung Vergesellschaftung stärkt auch jene, denen es im Moment nur um ihren Mietvertrag geht. In Berlin zeichnet sich eine Ausweitung ab: Auf einer Informationsveranstaltung am 28. Oktober erklärten auch MieterInnen der Siedlungen Cité Foch und Cité Pasteur in Reinickendorf, demnächst eigene Proteste zu starten. Doch nur wenn auch Menschen in anderen Städten sich für die Objekte der BIMA interessieren, wird genug Druck zusammenkommen.
Bei all dem ist stets Misstrauen angebracht gegenüber Lippenbekenntnissen der Politik. Oft genug sind Proteste gegen Verkäufe mit »Sozialklauseln«, »Übergangsregelungen« oder Ähnlichem eingelullt worden. Es gilt außerdem, zu verhindern, dass die Wohnungsbestände lediglich im Landeseigentum landen und dann mit gedämpfter Mieterhöhung der Stadtsäckel gefüllt wird. Nur eine demokratische Selbstverwaltung bedeutet Kontrolle über die eigene Wohnung und das eigene Leben.
Die Stadt-AG der Interventionistischen Linken Berlin besteht aus Aktiven der Gruppen FelS und IL Berlin (Avanti), die sich gemeinsam gegen Mietpreisexplosion und für Vergesellschaftung von Wohnraum einsetzen.
Dieser Artikel erschien als Erstveröffentlichung in der Zeitschrift "Analyse und Kritik", Nr. 599, November 2014.