Das alte Europa kommt seit dem Ausbruch der Krise im Jahr 2007 nicht zur Ruhe. Spitzte sich die Krise bis letztes Jahr noch anhand der brutalen Sparpolitik zu, die in vielen Ländern der südlichen Peripherie brutal durchexerziert wurde, vervielfachen sich die Herausforderungen durch den Summer of Migration und die reaktionären Tendenzen innerhalb Europas für die Herrschenden und damit auch für uns.
Um die Folgen der Krise für Kapitaleigner abzufedern, werden die einst als gegeben vorausgesetzten sozialen Sicherungssysteme endgültig demontiert. Ihm Vermächtnis von Schröder und Blair, von Schäuble und Dijsselbloem angetrieben, folgt Europa dem Trend der Agenda 2010. Und so heißt es arm trotz Arbeit zu sein oder im gänzlich prekarisierten Alltag sein Glück suchen zu müssen. Wenn das Versprechen Europas für die meisten Menschen nur noch ein Mehr an Verzicht ist, läuft etwas falsch - ganz falsch. Darüber können auch die Phrasen des „Immer weiter so“ der etablierten Politiker_innen die Menschen nicht mehr hinwegtäuschen.
Auch Dank deutscher Rüstungsexporte rückt der Krieg - nicht nur in Syrien - und dessen Auswirkungen in unseren Alltag. Die Geflüchteten, die mittlerweile unsere neuen Nachbar_innen und einige davon unseren Freund_innen sind, haben die tödliche Präzision deutscher Wertarbeit gespürt. Mit dem Mut der Verzweiflung konnten sie im vergangenen Jahr das europäische Grenzregime überwinden. Als Antwort schottet sich Europa weiter ab, um seinen bröckelnden Wohlstand abzusichern. Hilfe kriegt es dabei von zuverlässigen Kooperationspartner_innen, die die Grenzen in der Sahelzone, im Maghreb oder am Bosporus blutig verteidigen, ohne dass ihre Innenpolitik auch nur zaghaft kritisiert wird. Gleichzeitig wurde in der Bundesrepublik mit den neuen Asylpaketen I und II die Grundsteine einer erneuten Verschärfung der Situation von Geflüchteten gelegt.
Zeit der falschen Alternativen
Im Schatten dieses kriselnden neoliberalen Europas artikulieren sich scheinbare Alternativen: Ausnahmezustand vs. Terror, EU vs. Brexit, Putsch vs. Präsidialdiktatur, Rassistischer Mob vs. „Die da oben“. So speiste sich die #Brexit-Kampagne teilweise aus rassistischen und nationalistischen Positionen statt aus einer Kritik an der herrschenden Sozialpolitik. Bereits vorher war es PEGIDA vor allem in Deutschland gelungen den Diskurs von der Straße nach rechts zu verschieben. Auf Fundamenten wie diesem erbauen rassistische, rechtspopulistische Wahlformationen ihre Basis und konnten teilweise in großer Stärke in die nationalen Parlamente und in das der EU einziehen. Ob auf der Straße oder in den Parlamenten propagieren sie ihre scheinbare Alternative zum Status Quo und gewinnen damit an Stärke. Dabei unterscheiden sie sich in ihren wirtschaftspolitischen Vorstellungen kaum von denen der Herrschenden. Ihre scheinbare Alternative besteht lediglich aus mehr Nationalismus, mehr Autoritarismus und mehr Rassismus. Ungewollt betreiben sowohl sie, als auch die herrschenden Regierungen mit dem Islamischen Staat eine blutige Spirale aus Gewalt und Hass, von der beide Seiten profitieren.
Von Niederlagen und Perspektiven
Unsere Geschichte in der jüngsten Zeit war eine Geschichte der Offensiven, wenn wir an die Bewegungen in Spanien und Griechenland oder den Angriff auf die europäischen Außengrenzen denken, ist aber mittlerweile eine des Rückzugs, wenn wir an das Erstarken der neuen Rechten oder die Reorganisierung des Migrationsregimes denken. Die Krise Europas hat sich vertieft und die Auseinandersetzungen vervielfältigt.
Auch wir kriegen diese Vervielfältigung der Herausforderungen mit, wenn wir plötzlich Fluchthilfe leisten, Flüchtlinge in ihrem Ankommen unterstützen, uns vermehrt den Rechten entgegenstellen müssen, gegen die herrschende Klassenpolitik kämpfen, unsere Freiräume verteidigen und dabei nicht das große Ganze aus dem Blick verlieren dürfen.
Es herrscht Chaos unter dem Himmel, ist die Lage ausgezeichnet? Wir sind uns nicht sicher. Wir wissen allerdings, dass wir in all diesen Auseinandersetzungen die falschen Alternativen zurückweisen müssen und die ungenannte dritte Alternative stark machen müssen.
Der erneute Aufbruch auf der Straße in Frankreich mit seinen Momenten der solidarischen Selbstorganisation über alle Grenzen hinweg artikuliert solch eine dritte Alternative. Dort kämpfen Hunderttausende – ob Teil des nächtlichen Aufstands #NuitDebout, Teil der Gewerkschaften oder Schüler_innen Komitees – gegen das neue Arbeitsgesetz Loi Travail und die neoliberale Austeritätspolitik durch Streiks, Großdemonstrationen und Besetzungen.
Auch bei uns existieren im Kleinen die Zeichen des Aufbruchs und einer solidarischen Gesellschaft. Seien es soziale Zentren, die unmittelbar die Geflüchteten unterstützen, die Vernetzung mit Willkommensinitiativen, unsere Kämpfe für bezahlbaren Wohnraum, unsere feministischen Kämpfe, ob am Arbeitsplatz oder auf der Straße oder dass wir den Rechten, Faschos und Antifeminist*innen konsequent entgegentreten.
Unsere Alternative
Am ersten Septemberwochenende laden wir Alle nach Berlin ein, um diese Aufbrüche von denen wir Teil sind, bundesweit und europäisch sichtbar zu machen und zusammenzubringen. In Zeiten von Rassismus, Chauvinismus und Austerität, von Hetze, Spaltung und sozialer Unsicherheit müssen wir jenseits der Nationalstaaten und dem herrschenden Europa ultraeuropäisch bleiben; bauen wir unser Europa auf, ein solidarisches Europa – grenzenlos und für alle! Nutzen wir das Wochenende, um die Kämpfe zu verbinden, denn nur die Einheit der Vielen kann die Veränderung entstehen lassen. Nehmen wir uns die Straßen und Plätze für die dritte Option, dem Gegenentwurf zum herrschenden Status Quo und rassistischer Hetze.
Freitag Morgens, 2. September – Blockupy
EU-Migrant_innen haben nun fünf Jahre keinen Anspruch auf ALG-II, falls sie nicht schon sechs Monate gearbeitet haben. Und Andrea Nahles schafft es sogar die Unverschämtheit der 1-Euro-Jobs zu übertrumpfen und schlägt 80-Cent-Jobs für Geflüchtete vor. Das deutsche Arbeitsministerium ist zentraler Akteur im Regime der sozialen Spaltung und verschärften Ausbeutung, das vielfach rassistisch begründet und verschleiert wird. Und zwar nicht nur von der AfD, sondern auch von der Bundesregierung. Diese macht an vielen Stellen längst AfD-Politik.
Gehen wir mit Blockupy über die Grenzen der Klassengesellschaft hinweg und greifen wir die Bundesregierung für diese Politik an, die wie keine andere für das alternativlose Europa steht. Stehen wir ein für ein anderes Europa, dass mit den verrotteten, undemokratischen Institutionen der EU nichts mehr zu tun hat. Einer EU die einem solidarischen Europa im Weg steht, unreformierbar jeden Gedanken an eine friedliches, gemeinsames Europa diskreditiert und der die Bewegung der Straßen und Plätze den Kampf ansagt. Beteiligen wir uns an den Aktionen gegen das Arbeitsministerium – Gegen Hartz IV und Loi Travail.
Freitag Nachmittags – Zweite Welle
Demaskieren wir in einer zweiten Welle von Aktionen zusammen mit unseren Genoss_innen der kurdischen Bewegung die EU, die die Massaker des türkischen Militärs in Kurdistan, wie auch die Repression gegen die demokratische und linke Bewegung in der Türkei deckt und duldet, da die Türkei ihr strategischer Verbündeter in der Bekämpfung der Flüchtenden ist.
Samstag, 3. September - Aufstehen gegen Rassismus
Beteiligen wir uns an der Großdemonstration von "Aufstehen gegen Rassismus" und demonstrieren wir in Charlottenburg gegen die AfD und die Neue Rechte insgesamt. Denn die historische Lehre des Kampfes gegen den Faschismus zeigt, dass breiter Protest gegen die AfD und rassistische Stimmungsmache notwendig ist. Aber dieser bleibt hohl, wenn wir nicht auch hier die dritte Option deutlich machen: Über den Rassismus reden, der nicht nur von rechts-unten, sondern auch von mitte-oben kommt. Über die Toten im Mittelmeer. Über eine herrschende Ordnung, die nicht einfach als „demokratisch“ verteidigt werden kann, wenn sie doch so viele ohne Mitsprache und ohne Chancen lässt.
Lasst uns auch gegen eine wertkonservative Mobilisierung kämpfen, die die Errungenschaften der Frauen- und Queerbewegung zurücknehmen will. Sie sehen "Feminismus" als Schimpfwort - für uns ist es ein zentraler Gegenentwurf, eine Chance zu grenzüberschreitender Solidarität. Die Regierungsparteien und die AfD benutzen feministische Forderungen nach besserem Schutz von FLTI*-Personen vor sexualisierter Gewalt lediglich, um weitere rassistische Zuschreibungen vorzunehmen und Abschiebungen weiter zu erleichtern. Unser Feminismus bleibt antirassistisch und international!
Sonntag, 4. September - welcome to stay
Treten wir mit Welcome2Stay für unsere Alternative ein, die gesellschaftlich – abseits der Institutionen und Wahlpräferenzen bereits existiert. Denn es geht um weit mehr als die Situation und die Rechte der Geflüchteten. Es geht darum, dass soziale Rechte und eine solidarische Gesellschaft tatsächlich nur FÜR ALLE möglich sind – oder für niemanden.
Verweigern wir also die falschen Alternativen und stärken den dritten Pol: Radikal, ungehorsam – für alle
Kommen wir in Berlin zusammen und nehmen wir uns die Stadt!
Seien wir unmöglich realistisch.
Gegen die falschen Alternativen und für den Kommunismus!