Coronakrise: Perspektiven von Care-Arbeiter*innen

In den folgenden Beiträgen machen Arbeiter*innen aus Gesundheitsberufen darauf aufmerksam, wie von ihrer persönlichen belastentenden Situation ausgehend mal wieder deutlich wird: Sorge - und Pflegearbeit wird nicht annähernd so gewertschätzt, wie es Bedarf. Zudem betrifft die Krise insbesondere Frauen* in ihrer doppelten Belastung als Care - Arbeiter*innen: Privat und beruflich. Daran muss umgehend etwas verändert werden!

Maja: Ich bin Pflegekraft, arbeite aber nicht im herkömmlichen Bereich der Pflege, wie zum Beispiel dem Krankenhaus oder einer allgemeinmedizinischen Praxis. Was ich aktuell dennoch beobachte ist die Tatsache, dass Büros schließen und Angestellte dazu aufgefordert werden zu Hause zu arbeiten. Das ist für uns als Pflegekräfte nicht möglich. Unsere Arbeit findet am Menschen mit Menschen statt. Darüber hinaus ist es eben gerade die Arbeit, die im Moment noch stärker als sonst so benötigt wird: testen, pflegen, sorgen unter prekären Bedingungen . Zudem die Tatsache nicht genügend Schutzutensilien zur Verfügung gestellt zu bekommen. Desinfektionsmittel: nicht lieferbar – wird sogar geklaut! Desinfektionstücher: nicht lieferbar. Schutzmasken: nicht lieferbar und das schon seit über einer Woche! Das brauchen wir um uns zu schützen! Im Umkehrschluss dessen noch zu hören zu bekommen: „Na, wenn einer Corona hat, dann ja wohl du! Steck mich bloß nicht an!“ Der Corona – Virus ist kein individuelles Problem und schon gar nicht das von uns Care – Arbeiter*innen!!

Karin: Keine Kinderbetreuung mehr? Ich arbeite selbst in einem Gesundheitssystem was zusammenbricht, wenn ich und manche meiner Kolleginnen ab Montag nicht mehr zur Arbeit gehen würde. Schon im Normalzustand muss ich längere Betreuungszeiten außerhalb der Öffnungszeiten, Brückentage und Krankheitstage der Erzieherinnen mit der unbezahlten Arbeit meiner Eltern und Freundinnen oder bezahlter Babysitter abfedern. Und jetzt soll ich das erneut tun! Ich habe es so satt, dass sorgende Arbeit möglichst nichts kosten soll und dass das meistens auch noch klappt! Diese unbezahlte Arbeit wird überwiegend von Frauen* gemacht und bleibt unsichtbar! Ich wünsche mir Sonderurlaub für alle betroffenen Eltern! Und für die Zukunft hoffe ich auf den Aufbau eines Gesundheitssystems dessen Kapazitäten nicht so knapp auf Kante genäht sind!!!

Julia: Ich arbeite in der stationären Pflege in einer Abteilung der Pneumologie (v.a. Lungenkrankheiten). Jetzt, angesichts der Corona-Epidemie, wird auf einmal an unsere Menschlichkeit und Moral als Pflegekräfte appelliert, während uns die Politik die letzten 20 Jahre mit Ignoranz strafte, Hauptsache es hat nichts gekostet. Letzte Woche waren wir wieder nur zu dritt statt zu viert auf Station, mit der Ansage, dass das in nächster Zeit noch öfter vorkommen wird. Zu uns kommen jetzt die Verdachtsfälle. Dabei haben wir aber viel zu wenig Schutzausrüstung. Deshalb ist es auch total unverständlich, dass Leute gerade bei uns Masken und Desinfektionsmittel klauen! Es wurde schon gesagt, wir sollen Gesichtsmasken bei unbestätigten Fällen mehrfach verwenden. Das ist eigentlich ein unverantwortliches Risiko, nicht nur für uns. Wenn wir ausfallen, bricht die stationäre Versorgung zusammen. Wir brauchen dringend ausreichend Schutzausrüstung, eigentlich auch eine Infektionszulage. Und natürlich mehr Personal, über die aktuelle Krisensituation hinaus. Bei einem Verhältnis von 2 Pflegekräften auf 36 Patienten, wie es bei uns auch ohne Corona normal ist, kann man die Arbeit einfach nicht mit der notwendigen Sorgfalt machen.