Nachdem die iranische „Moralpolizei“ am 13. September die 22 Jährige Kurdin Mahsa Jina Amini in Teheran wegen eines vermeintlich ungenügend den Kopf bedeckenden Hijabs verhaftet und dann totgeschlagen hat, begann ein breiter Aufstand gegen das Mullah-Regime. Die alltägliche Erniedrigung durch die „Moralpolizei“ ist nur einer der sichtbarsten Ausdrücke der Zurichtung und Unterwerfung der weiblichen und queeren Körper unter das Diktat der schiitischen Fundamentalisten. Der Widerstand der Frauen und Queers führt die Bewegung in Iran an, dabei geht es um vielfältige Themen, die mit verhandelt werden: Eine tiefe ökonomische Krise hat das Land seit langem im Griff, die Inflation liegt bei über 30%, viele Menschen bangen um ihre Grundexistenz. Die Korruption der Mullahs ist allgegenwärtig und die Ressourcen des ölreichen Staates fließen in die kostspielige Finanzierung von Kriegen und Terrorgruppen in Syrien, Irak, Jemen und Palästina.
Zentrales Rückgrat der aktuellen feministischen Proteste ist das politische Aufbegehren der Kurd*innen, der größten politischen Minderheit in Iran, die seit Jahren für eine gerechtere Welt und ein freies Kurdistan kämpfen. Außerdem haben sich auch Gewerkschafter*innen, der strategisch enorm wichtigen Ölindustrie, den Protesten angeschlossen. Die jetzige Situation bedeutet ein womögliches Ende der islamischen Republik. Die Protestierenden lassen sich nicht mehr von systemtreuen „Reformern“ und religiösen „Hardlinern“ zurückdrängen und erheben ihre Stimme für eine grundsätzliche Alternative von Staats- und Lebensform.
Oft unter Einsatz ihres Lebens bemühen sich Menschen im Iran gerade, Videos und Bilder über die aktuellen Geschehnisse aufzunehmen und über soziale Netzwerke, vor allen Dingen durch Unterstützung der iranischen Diaspora weltweit, öffentlich zu machen. Für den Iran, wo es keine freie Presse gibt, das als Ressourcen-reiches Land seit jeher geopolitischer Spielball war, spielt die internationale Öffentlichkeit für das Verhalten der Regierungen eine besondere Rolle.
Ohne eine lautstarke, solidarische Öffentlichkeit verharrt die westliche Außenpolitik in ihrer eindimensionalen Verfolgung, eigener sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Interessen, um ja nicht das fragile Gleichgewicht mit Iran zu gefährden! Deswegen müssen auch wir hier Druck auf die Regierung ausüben, damit sie endlich den Forderungen der iranischen internationalen Community Folge leistet! Wir müssen dafür sorgen, dass es sichere Fluchtwege für die Verfolgten des islamischen Regimes gibt, vom Iran über Afghanistan und Saudi Arabien. Wir müssen Druck ausüben, gegen die zynische Praxis der deutschen Botschaft in Teheran, die Visanaträge ablehnt und mit altbekannter Abschottung auf die iranischen Protestierenden antwortet. Dieses Visaverbot muss sofort aufgehoben werden!
Die Bilder der feministische Revolution auf den Straßen Teherans und im ganzen Land sind aber nicht nur vor Ort von unglaublicher Bedeutung! Sie verbreiten weit darüber hinaus eine ungeahnte neue Hoffnung. Frauen und Queers und mittlerweile auch viele Männer dort, brechen mit ihrer Symbolik das falsche Entweder Oder zwischen westlichem Imperialsimus und Islamismus auf! Ihr Kampf ist ein Kampf für ein selbstbestimmtes Leben, frei von Gewalt – ein Kampf, den Menschen auf der ganzen Welt verstehen, der sie berührt, dem sie sich anschließen wollen, dessen Botschaften sie mit in ihre jeweiligen politischen Verhältnisse mitnehmen. So auch wir.Als Interventionistische Linke solidarisieren wir uns mit der Revolution und wollen gemeinsam mit vielen anderen an der bundesweiten Demonstration teilnehmen. „Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein“ schrieb Bertolt Brecht einst und der mutige, revolutionäre Aufstand in Iran erinnert uns daran, dass Menschen ihre Geschichte selber schreiben und kein Regime ewig währt. Weltweit werden die Freiheitsproteste von Linken unterstützt, zeigen wir auch in Berlin unsere Solidarität!
Jin Jiyan Azadî!