Gegen Atom- und Überwachungsstaat:
 Abschalten sofort!

Redebeitrag zum internationalen Tag der politischen Gefangenen 2011 in München
Gegen Atom- und Überwachungsstaat:
 Abschalten sofort!
Redebeitrag auf der Demonstration zum „Tag der politischen Gefangenen“ am 18. März 2011 in München

Am Aktionstag 18. März "Solidarität gegen staatliche Gewalt und mit den politischen Gefangenen" fand in München eine Demo gegen Repression im Rahmen der linken Aktions- und Veranstaltungswoche gegen Repression „Solidarität ist eine Waffe: All the arms we need" vom 12. bis 20. März 2011 statt. Die iL München hielt dort folgende Rede und stellte einen Zusammenhang der Kämpfe "Gegen Atom- und Überwachunsgstaat", einer zentralen Parole der Anti-AKW-Bewegung, her:

Am 26. April 1986 explodierte der Atomreaktor in Tschernobyl. Fast ganz Europa wurde mit Radioaktivität verseucht und ist es teilweise bis heute. Die Reaktion deutscher Politiker und Atomkonzerne war tagelanges Vertuschen und Verharmlosen. Sie hatten immer behauptet, dass ein atomarer Super-Gau nie stattfinden könne.
Nur wenige Tage später haben die DemonstrantInnen der Anti-Atom-Bewegung am Bauzaun von Wackersdorf physisch erlebt, was ein „Atom- und Überwachungsstaat“ real bedeuten: Als Zehntausende entschlossen und wütend gegen den Bau der atomaren Wiederaufbereitungsanlage Widerstand leisteten, entschieden sich die Mächtigen nicht dafür, als einzig richtige Konsequenz aus dem Gau von Tschernobyl endlich aus der Atomkraft auszusteigen. Stattdessen forderten sie aus der ganzen Bundesrepublik zusätzliche Polizei-Hundertschaften an und beschossen die DemonstrantInnen aus Hubschraubern mit CS-Gas, einem international geächteten Nerven- und Kampfgas.
Diese Tage des massenhaften Widerstandes von Zehntausenden haben aber auch deutlich gemacht: Der politische Preis für die Regierenden ist sehr hoch, wenn sie gegen den Willen der Bevölkerung die WAA weiter mit massiver Polizeigewalt und Repression durchsetzen wollen. Die tagelangen Pfingstkämpfe 1986 waren also auch der Anfang vom Ende der CSU-Arroganz, die sich eingebildet hatte, in Bayern eine WAA durchsetzen zu können.
Diese Erfahrung zeigt: Protest und Widerstand waren und sind richtig und nötig – damals, heute und in Zukunft, hoffentlich weltweit – in Tokio hat gestern die erste Demonstration gegen Regierung und Atomlobby stattgefunden.
1985 hatten Tausende den Bauplatz der geplanten atomaren Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf besetzt und das Hüttendorf gegen die Angriffe der Polizei verteidigt. Auch Repression und Kriminalisierung, 
CS-Gas, Polizeiknüppel, Verhaftungen und eine gigantische Prozesswelle konnten das nicht verhindern. Seitdem wurde in Deutschland zumindest kein neues AKW mehr gebaut.

Dabei sollten wir aber auch nicht vergessen, dass allein in Wackersdorf durch den Einsatz von CS-Gas zwei Menschen gestorben sind und tausende DemonstrantInnen schwer verletzt wurden. 
Wir sollten ebenfalls nicht vergessen, dass polizeiliche Sondertruppen wie das Bayerische Unterstützungskommando (USK) erst 1987 als Reaktion auf eine immer stärker werdende Bewegung gegen Atomkraft und Großprojekte wie den Frankfurter Flughafen von der Staatsregierung geschaffen wurden. Dadurch sollte die Repression gegen politisch missliebige soziale Bewegungen erhöht werden. 
Nach Prügelorgien und polizeistaatsähnlichen Einsätzen fordern Bürger- und Menschenrechtler die Abschaffung dieser Sondertruppen, die gezeigt haben, dass sie eine permanente Bedrohung des Rechts auf freie Meinungs- und Versammlungsfreiheit darstellen. Die Kennzeichnungspflicht für alle Polizisten, die Gewerkschafter oder Amnesty International seit Jahren fordern, wäre zumindest ein erster Schritt.


Spätestens nach Tschernobyl ist also evident, dass auch die angeblich friedliche Nutzung der Atomkraft eine menschen- und naturverachtende, eine zerstörerische und eine unverantwortliche Technologie ist. 
Heute behaupten genau jene Politiker und Parteien, die trotz Tschernobyl aus geostrategischen, machtpolitischen und vor allem wirtschaftlichen (Profit-) Interessen weiter an der Atomkraft festgehalten haben: Japan hätte die Situation verändert, nun müsse man neu nachdenken. Sie wollen damit von ihrer Verantwortung ablenken.
Da kann man sich nur den Kabarettisten Urban Priol und Erwin Pelzig anschließen. Sie haben kurz nach den Protesten gegen den letzten Castor-Transport nach Gorleben im November 2010, bei denen Tausende mit der Aktion „Castor schottern!“ und den Gleis- und Straßenblockaden den Atommülltransport 92 Stunden aufhalten konnten, uns nahe gelegt, dass in dieser Republik noch so einiges „geschottert“ werden müsste!

Die Erfahrung zeigt: Wenn immer mehr Menschen gemeinsam und solidarisch handeln in gegenseitigem Respekt ihrer unterschiedlichen Positionen, dann können sogar Diktaturen, die Jahrzehnte von westlichen Politikern mit Waffen versorgt wurden, von einem Tag auf den anderen hinweggefegt werden – wie gerade erst in Kairo und Tunis.

Eines sollte heute klar sein: Auch die rot-grüne Variante der Restlaufzeiten war ein Kniefall vor der Atomlobby. Heute kann die einzige Konsequenz aus dem Gau in Japan, dessen Folgen noch nicht annähernd abzusehen sind, heißen: Sofort abschalten! 
Die Arroganz und der Zynismus der Verantwortlichen aus Politik und Atomlobby ist auch noch angesichts der atomaren Katastrophe kaum zu überbieten: Wie bei der Bankenkrise wollen sie nun weiter ihre Profite privatisieren und die Kosten der atomaren Katastrophe auf die Allgemeinheit abwälzen.
Dafür nur ein Beispiel: Gestern berichtete der SZ-Korrespondent Kai Strittmatter (Zitat): „Just an dem Tag, an dem die Katastrophe von Fukushima ihren Lauf nahm, waren japanische Kraftwerksbauer in Ankara, um die Details auszuhandeln. Genauer: Abgesandte der Firmen Toshiba und des Kraftwerksbetreibers Tepco. Ausgerechnet. Jener Firmen also, die auch Fukushima bauten und betreiben. Die Japaner sind noch immer in Ankara: Bis Ende März soll das Geschäft stehen.“ Mitten in einem extrem von Erdbeben gefährdeten Gebiet will die Türkei ein neues AKW bauen!

Das darf nicht passieren: Jetzt müssen die Atomkonzerne – von Siemens bis Tepco -, die jahrzehntelang auf Kosten der Gesundheit von Millionen Menschen weltweit ihre Profite angehäuft haben, zur Verantwortung gezogen werden.
Die anstehenden Aufgaben wird uns also niemand abnehmen:

Für die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen, 
für die Abschaffung aller Atomwaffen!