Burası bizim değil, bizi öldürmek isteyenlerin ülkesi… Es ist nicht unser Land, aber das Land derer die uns töten wollen…
ist ein Zitat der türkischen Schriftstellerin Tezer Özlü. Sie schrieb es nach dem Kanlı 1 Mayıs 1977 (Blutiger 1. Mai) auf dem Istanbuler Taksim-Platz. Mit automatischen Waffen wurde damals in die unübersehbare Menge geschossen, Panzerwägen überrollten DemonstrantInnen. 34 Menschen starben, ca. 150 wurden verwundet, etwa 500 festgenommen. Aufgeklärt wurde das Massaker nie wirklich.
Der in der türkischen Linken geflügelte Satz wurde jetzt nach dem furchtbaren Massaker in Ankara erneut von sehr vielen Menschen über Twitter und Facebook verschickt. #AnkaraBombing: Wieder ein Massaker an der Linken, diesmal mit etwa 101 Toten, dazu unzählige Schwerstverletzte. Wieder drohen die Wahrheit, die Verantwortlichen, die Gerechtigkeit und eine mögliche bessere Zukunft von einer schier allmächtigen autoritären Regierung und ihrem Präsidenten verschluckt zu werden. Wieder werden diejenigen, die ein anderes, ein demokratisches Land wollten, einfach getötet, wird eine Demonstration in Blut ertränkt. Diesmal nicht im fernen kurdischen Diyarbakır, in Şırnak oder Cizre, diesmal nicht in Suruç an der Nirgendwo-Grenze zu Kobanê, nein, dieses Mal vor den Augen aller im Zentrum der Macht, in Ankara, der Hauptstadt.
Seit zwei Tagen wird landesweit jedes Begräbnis eines der Opfer zur demonstrativen Geste gegen die herrschende AKP-Regierung, gegen ihre Arroganz, gegen ihre Niedertracht und gegen ihre totalitären Züge. Und ganz besonders gegen ihren Präsidenten Tayyip Erdogan, der kein Wort der Anteilnahme formuliert, dessen Kälte und Herzlosigkeit nur abstößt. Aber es sind nicht nur Szenen der Wut, es sind auch Momente einer völligen Fassungslosigkeit, einer Trauer und Erschütterung über ein Ereignis, dass viele vielleicht für irgendwie denkbar hielten, weil sie dieser Regierung schon länger alles zutrauten, dass sich aber kaum jemand wirklich vorstellen konnte. Wer fährt schon im Jahr 2015 auf eine große Friedensdemonstration in der bestens überwachten Landeshauptstadt eines EU-Beitritts-Kandidaten mit der realistischen Aussicht, einem Massenmord zum Opfer zu fallen?
In der Türkei haben jetzt Tage des Protestes begonnen. Viele Gewerkschaften streiken, Läden sind geschlossen, andere unterbrechen die Arbeit, verlassen die Schulen und Universitäten, gehen auf die Straße und sagen „Mörderstaat!“, „Wir stehen auf!“, und: „Wir kennen die Mörder!“. Wieder gibt es Festnahmen, Wasserwerfer- und Gaseinsätze, in den kurdischen Gebieten wird weiter scharf geschossen. Wieder gibt es Tote. Ein Kind, ein junger Mann. Morgen wer? Die PKK beharrt auf ihrer bereits einen Tag vor dem Massaker in Ankara angekündigten Waffenruhe. Aus Respekt vor den Opfern, aber auch, um der Regierung keine zusätzlichen Argumente zu geben, die Parlamentswahl am 1. November auszusetzen. Die Situation ist offen. Sie ist traurig, wie unter Schock, aber sie ist noch nicht wirklich entschieden. Die nächsten 15 Tage entscheiden…
#HayatıDurduruyoruz / Das Leben steht still
Unter diesem Hashtag versammeln sich in diesen Tagen und Stunden in der Türkei und Kurdistan all jene, die gegen das Massaker, gegen diese Regierung und ihre Killer demonstrieren – für das Leben, für den Frieden und für die Freiheit.
Tun wir es ihnen gleich. Versammeln wir uns auch in Frankfurt mit allen zusammen! Stehen wir auf!
Mittwoch 14.10.2015, 17.00 Uhr, Hauptbahnhof/Kaisersack
Kommt alle! Es gibt Momente, in den denen man einfach hingehen muss. Vielleicht ist dies einer davon…
[iL]-Frankfurt, 13.10.2015