„Wohn_Raum für Alle – Solidarisches Miteinander statt Ausgrenzung und Verdrängung!“, 4. Februar 2017 (14 Uhr, Hauptbahnhof)
„Make racists afraid again! Kampagne gegen Naziterror und Rassismus“, 25. Februar 2017 (16 Uhr, Südbahnhof)
Frankfurt, 9. Dezember 2016: Die Café-Räume von „Project Shelter“ in Bornheim, die die Initiative mühsam erkämpft hat, werden bei einem rechten Angriff schwer beschädigt. Washington, 25. Januar 2017: Der US-Amerikanische Präsident Donald Trump verfügt per Dekret, dass all jenen Städten und Bezirken, die sich als „Sanctuary Cities“ – als „Orte der Zuflucht“ – der Erfassung und Abschiebung von Migrant_innen ohne Papiere widersetzen und ihnen stattdessen gleichberechtigten Zugang zu kommunalen Leistungen gewähren, in Zukunft alle Bundesgelder gestrichen werden.
Obwohl zwischen diesen beiden Ereignissen mehrere Wochen und viele tausend Kilometer liegen: beide stehen gleichermaßen für einen massiven gesellschaftlichen Rechtsruck, für den Aufstieg einer „rechten Internationalen“. Deren Hass und Gewalt richtet sich ebenso gegen Menschenleben wie gegen die Orte und Praxen konkreter Solidarität und den Kampf für Freiheit, Gleichheit und Selbstbestimmung insgesamt. Zwar bleibt dieser Angriff keineswegs auf Städte beschränkt. Jedoch sind diese der Rechten ein besonderes Gräuel. In den Städten des 21. Jahrhunderts ist die soziale, religiöse, ethnische oder sexuelle Vielfalt, die sie so sehr ablehnen, längst gesellschaftliche Realität. Es bestehen Freiräume, die erkämpft wurden oder im gemeinsamen Leben entstanden sind. Und es existiert vielfach eine solidarische Alltagspraxis, die sich der Kälte und Menschenverachtung der offiziellen, nationalen Gesetzgebung widersetzt. All das greift die Rechte offensiv an.
Vor diesem Hintergrund entscheidet sich in den alltäglichen Konflikten und den politischen Kämpfen um das städtische Zusammenleben die Frage nach der Zukunft unserer Gesellschaft: Akzeptieren wir, dass Ungleichheit, Ausgrenzung, Hass und Gewalt immer weiter zur Normalität werden oder bekämpfen wir sie? Ertragen wir, wie Menschen erniedrigt, verletzt und getötet werden oder schreiten wir ein? Arrangieren wir uns mit dem offensiven Auftreten rechter, rassistischer und sexistischer Bewegungen und Parteien oder stellen wir uns ihnen entschlossen entgegen? Die gesellschaftliche Entwicklung zwingt uns diese Fragen jeden Tag aufs Neue auf – und sie verlangt jederzeit nach einer Antwort: in der Warteschlange beim Einkaufen, am Arbeitsplatz, im Uniseminar, im Nachtbus oder auf der Straße.
Das Elend der herrschenden (Stadt-)Politik
Auch wenn der gesellschaftliche Rechtsruck zuletzt eine neue Qualität erreicht hat: er kommt weder aus dem Nichts noch ist er allein das Werk rechter Bewegungen und Parteien. Gerade die Entwicklungen in Hessen und Frankfurt zeigen vielmehr, wie die „ganz große Koalition“ aus CDU, FDP, SPD und Grünen mit ihrer Arroganz der Macht, ihrer Politik der sozialen Spaltung und rassistischen Ausgrenzung, einer investorenfreundlichen Stadtentwicklung, den Sozialkürzungen trotz Milliardenüberschüssen oder der autoritären Durchsetzung von Law and Order den Boden für die gegenwärtige gesellschaftliche Polarisierung bereitet hat. Trotz dieser jahrzehntelangen Erfahrung mit einem zunehmenden autoritären Neoliberalismus ist die Wut und Empörung darüber spürbar, wie wenig diese Akteure in der aktuellen Situation bereit oder willens sind, von ihrer Linie abzurücken.
Wie anders lässt sich erklären, dass trotz massenhafter Obdachlosigkeit, der Verdrängung ganzer Bevölkerungsgruppen aus der Stadt und Millionen Quadratmeter Leerstand nach dem Brexit-Referendum mehr denn je darum geworben wird, noch mehr Banken und Wohlhabende in die Stadt zu locken? Wie lässt sich erklären, dass die Stadt ihren Flughafen als Drehscheibe für unmenschliche Massenabschiebungen zur Verfügung stellt und z.B. im Bahnhofsviertel racial profiling betreibt, statt den Geflüchteten Schutz vor Verfolgung und Zugang zu allen städtischen Einrichtungen zu gewähren? Wie lässt sich erklären, dass Initiativen wie „Project Shelter“ oder dem „Förderverein Roma“ selbst im Angesicht zunehmender rechter Gewalt keine geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden? Und wie lässt sich erklären, dass die legitimen Proteste gegen rechte Bewegungen wie „Fragida“, gegen Leerstand oder gegen die Errichtung immer neuer Luxusimmobilien kriminalisiert werden, während Nazistrukturen, rassistische und sexistische Gewalttäter_innen oder die Verantwortlichen und Profiteure des systematischen Ausverkaufs der Stadt gänzlich ungeschoren bleiben?
Dass die herrschende (Stadt-)Politik auf diese Fragen keine Antworten hat, ist Positionierung genug: Sie ist moralisch bankrott, ihre Phrasen sind hohl – und ihre Empörung über den Aufstieg der Rechten so zynisch wie hilflos.
Den Aufbruch wagen – für ein solidarisches und rebellisches Frankfurt!
Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Monate ist es notwendiger denn je, die eigene Wut, die Empörung und die Solidarität mit den Betroffenen von Rassismus und Sexismus, von rechter Gewalt und neoliberaler Politik auch in Frankfurt laut und entschlossen auf die Straße zu tragen. Als Inspiration kann dabei die Dynamik und Vielfalt der zehntausenden Menschen dienen, die in den letzten Tagen überall auf der Welt – auch in Frankfurt – gegen die rassistische Dekret-Politik und den Sexismus von Donald Trump protestiert haben. Gleichzeitig liegt auf der Hand: Es bedarf jetzt mehr als Demonstrationen und einer konsequenten antifaschistischen und antirassistischen Arbeit. Über Abwehrkämpfe hinaus ist eine offensive Antwort von links notwendig. In diesem Sinne sehen wir in Frankfurt aktuell vor allem zwei stadtpolitische Ansätze:
Zum einen sind in den letzten Monaten und Jahren eine Vielzahl neuer Initiativen entstanden, die mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung versuchen, eine solidarische Alltagspraxis mit Formen kontinuierlicher Selbstorganisierung und offensiver stadtpolitischer Intervention zu verbinden: Mieter_inneninitiativen und die Kampagne „Eine Stadt für Alle! Wem gehört die ABG?“, antirassistische Projekte und Initiativen wie „Project Shelter“ oder Zusammenhänge wie „Gallus/Rödelheim/Bahnhofsviertel solidarisch“ zeigen, dass es sich lohnt, die Begrenztheit der eigenen Milieus zu überwinden und gemeinsam mit Anderen für eine solidarische Stadt zu kämpfen. Es gilt, solche Initiativen gegen die Ignoranz der herrschenden Politik und gegen rechte Angriffe zu verteidigen und weiter auszubauen – und dabei die Perspektive einer gesamtstädtischen Transformation nicht aus den Augen zu verlieren. Diese könnte z.B. in der Forderung nach einer kostenlosen sozialen Infrastruktur für Alle ein konkretes Ziel haben. Auch wenn das Projekt eines kontinuierlichen „Ratschlags“ „Frankfurt für Alle“ vorläufig versandet ist, bleibt die Frage nach den Orten des gemeinsamen Erfahrungsaustausches und der strategischen Verabredung daher mehr denn je auf der Tagesordnung.
Die nervöse Reaktion von Polizei und Justiz auf die allgegenwärtigen „Stadt für Alle“-Graffitis, auf die Aneignung von Leerstand oder auf die Farbbeutelwürfe gegen Luxusimmobilien zeigt zum anderen, dass die herrschende Politik nichts mehr fürchtet als die massenhafte, selbstorganisierte Praxis eines rebellischen, widerständigen Frankfurts. Was spricht dagegen, diese Praxis weiterzuführen und weiterzuentwickeln – etwa, indem die horrenden Quadratmeterpreise an den Wänden der Luxusimmobilien sichtbar gemacht werden oder versucht wird, zukünftige Massenabschiebungen effektiv zu verhindern? Was spricht dagegen, Anfang Juli gemeinsam zum G20-Gipfel nach Hamburg zu fahren, um dort dem Widerstand gegen die „rechte Internationale“ und den autoritären Neoliberalismus einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen und so die Erinnerung an Blockupy und die Ereignisse des 18.03.2015 wieder aufleben zu lassen? Und zuletzt: Was spricht dagegen, der üblen Mischung aus rassistischer Hetze und neoliberalem „Weiter so“, die uns während des Bundestagswahlkampfes erwarten wird, in Frankfurt eine linke Antwort entgegenzusetzen – durch die systematische Störung von AfD-Veranstaltungen, den kreativen Umgang mit Wahlplakaten oder die Eröffnung eigener, außerparlamentarischer Wahlkampfbüros, in denen all jene das Wort ergreifen, die von der Wahl ausgeschlossen sind oder die sich in ihrem Bedürfnis nach Solidarität und Emanzipation nicht repräsentiert fühlen.
Was dagegen spricht? Eigentlich nichts – Fangen wir damit an!
Interventionistische Linke (IL) Frankfurt, 3. Februar 2017
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