5. Zu den großen Stärken der IL gehört, dass sie kein Projekt nur einer Generation ist, sondern in ihr Aktivist_innen vom Schüler_innen- bis zum Rentenalter zusammenkommen. Für viele von uns waren die ersten großen Aktionserfahrungen Heiligendamm, Straßburg, Dresden oder Schottern, d. h., sie haben sich irgendwann in den letzten sieben Jahren einer bereits existierenden IL angeschlossen und sich bewusst für unsere Art entschieden, in gesellschaftliche Auseinandersetzungen einzugreifen. Dabei handelt es sich nicht nur um junge Menschen, sondern es gibt ebenso diejenigen, die nach langjährigem Aktivismus in Initiativen, Bewegungen oder anderen linken Organisationen zu uns gekommen sind.
Die älteren Aktivist_innen der IL erlebten ihre politische Sozialisation in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren. Sie bringen die Erfahrungen eines großen linken Aufbruchs ein: Die Studierendenrevolte und die darin und in Reibung dazu entstandene Frauenbewegung, die Lehrlingsbewegung, die kommunistischen Parteiprojekte der roten 1970er Jahre, die Spontis, die Politik des bewaffneten Kampfes – vielfältige Erfahrungen von Organisierung, Scheitern und in anderer Form Weitermachen.
Andere erlebten ihren Aufbruch in der autonomen Bewegung der 1980er Jahre. Durch die erstarrten, manchmal formelhaften Strukturen der K-Gruppen hatten Organisationen in der linksradikalen Szene einen schlechten Ruf bekommen. Oft in bewusster Abgrenzung dazu entstand bei Hausbesetzungen, in der Antikriegs- und Anti-AKW-Bewegung ein neues Selbstverständnis, das Politikmachen und Leben als Einheit begriff.
Viele linke Zentren und Szenestrukturen stammen aus dieser Zeit und bilden bis heute eine wichtige materielle und kulturelle Basis für unsere Politik. Die Kritik an der sprichwörtlichen autonomen Unverbindlichkeit, an der Lernunfähigkeit und Intransparenz vieler informeller Zusammenhänge, an der mangelnden Organisiertheit führte einige spätere IL-Gruppen aber schon in den 1980er Jahren zu Positionen, die sich heute postautonom nennen.
Die nächste Generation von IL-Gruppen und -Aktivist_innen hat nach der Zäsur von 1989/90 begonnen, als Nationalismus und Rassismus in der Offensive waren und jede Form linksradikaler Politik auf lange Zeit diskreditiert schien. Antifa war für viele von uns das zentrale Politikfeld, teils aus der direkten Notwendigkeit der Gegenwehr, teils, weil hier noch ein Resonanzraum für linksradikale Politik bestand. Die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO), in der auch einige der heutigen IL-Gruppen organisiert waren, setzte bewusst Antifaschismus als Ausgangspunkt linksradikaler Politik, um damit den spezifischen Bedingungen der nationalistischen Vereinheitlichung im Land der Täter_innen des deutschen Faschismus gerecht zu werden. Ebenso wie das parallel existierende Bundesweite Antifatreffen (BAT) konnte jedoch auch die AA/BO ihren Organisierungsansatz nicht dauerhaft umsetzen und löste sich 2001 auf.
Für einige von uns, die in der DDR sozialisiert wurden, war die Zäsur 1989/90 überhaupt erst die Voraussetzung, linksradikale Politik in gesellschaftlich wahrnehmbaren Umfang zu machen. Bis heute wird die Geschichte der radikalen Linken in Deutschland vorwiegend als westdeutsche Geschichte geschrieben. Dies ist auch in der IL nicht anders. Mit den ersten Gruppen in Ostdeutschland hat die IL jedoch begonnen, dieses Ungleichgewicht abzubauen.
Die in der IL vertretenen Erfahrungen aus den verschiedensten Bewegungen, der Frauenbewegung, der Internationalismusbewegung, der Anti-AKW-Bewegung, der antifaschistischen und antirassistischen Bewegung, der globalisierungskritischen Bewegung, der Bewegung der neuen sozialen Kämpfe oder der Antikriegsbewegung gleichen sich unter anderem darin, dass vieles mit vielem zusammenhängt und dass in isolierten Kämpfen zwar einzelne Erfolge zu erreichen sind, sie aber nur in ihrer Verbindung das Potenzial gewinnen, die Gesellschaft insgesamt zu verändern. Dazu möchten wir beitragen.
6. Alle diese Erfahrungen und Hintergründe fließen in der IL zusammen und gehören zu unserer Geschichte – genauso wie die Erfahrungen der Generationen vor uns, der Arbeiter_innenbewegung, der historischen Frauenbewegung, der kommunistischen Parteien mit all ihren dissidenten Strömungen, der Anarchist_innen usw. Wir setzen uns mit dieser Geschichte auseinander, wir versuchen, aus ihr zu lernen und erkannte Fehler zu vermeiden. Aber wir wählen aus der Vielfalt linker und revolutionärer Geschichte keine Traditionslinie aus und erklären sie für richtig oder verbindlich. Die IL hat keine Säulenheiligen und folgt keiner eindeutig abgrenzbaren theoretischen Lehre.
Entscheidend ist für uns, dass wir heute an einem gemeinsamen Punkt stehen, von dem aus wir unsere gegenwärtige und zukünftige Politik als Interventionistische Linke kollektiv bestimmen wollen. Die vielfältigen Erfahrungen und Traditionen haben uns an diesen Punkt geführt und sie sollen in der IL im besten Sinne aufgehoben werden.